Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin - Schartz, S: Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin
ihr euch daran erinnern, was der Barmann gestern im Pub zu uns gesagt hat?«
Niemand antwortete. Nadja seufzte. »Seht ihr, ihr habt nur ans Essen und Trinken gedacht. Ich hingegen weiß das noch sehr genau.«
»Ist ja auch dein Beruf!«, warf Pirx dazwischen.
»Du sagst es. Jedenfalls, der Mann sagte
how’s the craic
, eine irisch-englische Sprachkombination, die ich von früher kenne.«
Mit einem Mal fiel es Fabio wie Schuppen von den Augen. »Der Wachmann, der sich Craig nannte!«
»Genau. Craic ist gälisch und bedeutet Witz, Spaß und so weiter. Deshalb gab er sich den Namen, der sich wie Craig anhörte, und wir haben den Unterschied natürlich nicht gemerkt. Er hat uns total vorgeführt!« Sie erzählte den Zwillingen und den Kobolden von der Begegnung.
»Und da behauptet er immer, total humorlos zu sein!«, rief Pirx und prustete los. »Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber das war echt gut!«
»Und warum lässt er uns einfach gehen?«, fragte Fabio ratlos.
»Das macht er immer so«, antwortete Nadja gleichmütig und erinnerte den Vater an ihr Abenteuer in Venedig. »Alles zu seiner Zeit. Momentan ist er nicht an uns interessiert und hat nur dafür gesorgt, dass wir ihm nicht im Weg sind.«
»Ein richtiger Spaßvogel«, knurrte ihr Vater und nahm wieder Platz. Dann lächelte er böse. »Damit sind wir aber schon zwei.«
Nadja wandte sich ihm zu. »Du tust schon die ganze Zeit so geheimnisvoll. Habe ich irgendwas übersehen?«
»Du hast die Spiegel nicht gezählt«, sagte er.
»Wieso – fehlt einer?«
»Allerdings.« Fabios Gesicht zeigte einen Ausdruck grimmiger Boshaftigkeit. »Der kleine Augenspiegel klebt immer noch an der Wand!«
Zwischenspiel München
Tom Bernhardt stieg die Treppe hinauf und sperrte Nadjas Wohnungstür auf. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, alle zwei Tage bei ihr nach dem Rechten zu sehen. Noch immer konnte er kaum glauben, in was er da hineingeraten war; es kam ihm wie ein Traum vor. Ein aufregender Traum allerdings, aus dem er nicht so schnell wieder erwachen wollte.
Sein Sachbuch über die Contessa von Venedig erschien in den nächsten Wochen, die Vorbestellungen garantierten ihm eine gute Startauflage. Nun hatte Tom schon viele Ideen für ein zweites und sogar drittes Sachbuch, und der Verleger ließ bereits einen Vertrag anfertigen.
Toms Leben war völlig umgekrempelt worden, und das war gerade im richtigen Moment geschehen, als er ohnehin darüber nachgedacht hatte, wie es mit ihm weitergehen sollte.
Die letzte SMS von Nadja lag schon ein paar Tage zurück. Sie hatte vom fast überstürzten Aufbruch von Sizilien nach Irland berichtet und würde sich wohl eine Weile nicht melden können. Was lag nun wohl wieder im Argen? Das Abenteuer schien Nadja Oreso zu suchen, wie es so schön hieß; sie stolperte von einer Geschichte in die nächste.
Tom hatte schon darüber nachgedacht, ihr Leben sorgfältig zu notieren. Selbst wenn er niemals ein Buch daraus machte, wäre es ein kostbares Zeitdokument für Nadja, die bei all den Turbulenzen später sicherlich nicht mehr alles so genau auseinanderhalten konnte. Und vermutlich auch nicht glauben konnte, was sie alles erlebt hatte. Bestimmt wäre es auch eine schöne Aufzeichnung für ihr Kind, damit es erfuhr, wer seine Mutter vor seiner Geburt gewesen war.
Tom sah sich gründlich um wie immer, steckte die Post ein, die er später sichten und bei sich aufheben würde, und rief Nadjas E-Mails ab. Dazu hatte sie ihn ausdrücklich angewiesen, und er beantwortete, was wichtig war. Beispielsweise die Anfragen der beiden Redaktionen, für die sie hauptsächlich arbeitete. Der Versuchung, sich als »Privatsekretär« auszuweisen, widerstand er grinsend und zeichnete mit ihrem Namen. Dann goss er die Blumen, kontrollierte den Kühlschrank, fand in einem Küchenschrank eine Tafel Schokolade, die Rian vergessen hatte, und riss sie auf, während er den letzten Kontrollgang machte.
Die Wohnung war hell und freundlich, die Junisonne spendete jede Menge gute Laune. Tom wollte anschließend in den Englischen Garten, zum Chinesischen Turm, um dort Ausschau nach jemandem zu halten, mit dem er den Nachmittag verbringen konnte.
Als er seinen Rundgang beendet hatte und die Eingangstür öffnete, wurde sie plötzlich von außen mit Gewalt aufgedrückt und gegen ihn geschleudert. Tom erhielt einen Schlag vor die Brust und stolperte mit einem Ächzen zurück. Bevor er das Gleichgewicht wiederfand, packten ihn zwei kräftige, grobe Hände
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