Elfenzorn
umständlicher, als notwendig gewesen wäre, zog sie sich an, strich mit beiden Händen das Kleid glatt, das schreiend bunt war, aber sehr bequem, und betrachtete einen Atemzug lang stirnrunzelnd die ebenfalls bunt bestickten Schnürsandalen, die als Einziges auf dem Bett zurückgeblieben waren. Sie entschied sich dagegen, ging um das Bett herum und nahm die Stiefel aus der Nische, die sie aus WeißWald mitgebracht hatte.
»Wenn ich dir meine Dienste auch noch als Beraterin in Modefragen anbieten darf –«, begann Alica, und Pia unterbrach sie, indem sie heftig den Kopf schüttelte und auf einem Bein herumzuhüpfen begann, um mit dem anderen in den Stiefel zu schlüpfen.
»Du willst sicher sagen, es sieht nicht besonders passend aus«, vermutete sie. »Mag sein. Aber hätte ich sie gestern angehabt, wäre so manches vielleicht nicht passiert.«
Irgendwie rutschte sie in den Stiefel hinein, versuchte dasselbe Kunststück mit dem anderen und verlor prompt das Gleichgewicht, und sie zog sich nur deshalb nicht schon wieder ein paar neue blaue Flecken und Prellungen zu, weil sie Glück hatte undrücklings aufs Bett fiel. Alica sah mit ausdruckslosem Gesicht auf sie herab, und Pia hatte das sichere Gefühl, dass sie das auch getan hätte, wäre sie auf dem harten Steinboden gelandet. Ohne auch nur ein Wort zu ihrem Missgeschick zu sagen – oder ihr gar die Hand entgegenzustrecken, um ihr aufzuhelfen –, wandte Alica sich kopfschüttelnd ab und trat ihrerseits an die schmale Wandnische heran. Nicht nur das Bett war durch ein neues (und womöglich noch größeres) ersetzt worden, Alicas Dienerinnen hatten gründlich aufgeräumt und auch den gläsernen Elfendolch und den schweren Revolver wieder an ihren Platz gelegt. Während Pia sich mühsam aufrappelte, streckte Alica die Hand nach dem Dolch aus, wagte es dann aber doch nicht, der so harmlos aussehenden Klinge auch nur nahe zu kommen, sondern nahm stattdessen die Magnum auf. In ihren Händen, die noch einmal deutlich schmaler waren als die Pias, wirkte der verchromte Revolver absurd groß, und Pia wunderte sich fast ein bisschen, dass sie ihn überhaupt mit einer Hand halten konnte. Man sah ihr auch an, wie schwer es ihr fiel.
Alica drehte die Magnum ein paarmal hin und her, klappte dann mit einem Geschick und einer Selbstverständlichkeit, die Pia wirklich überraschten, die Trommel heraus und schnippte sie mit den Fingern an, sodass sie sich klickend zu drehen begann. »Ein schönes Spielzeug hast du da mitgebracht«, sagte sie. »Schade nur, dass du nicht daran gedacht hast, auch ausreichend Munition einzustecken.«
Pia nahm ihr die Waffe aus der Hand und legte sie demonstrativ an ihren Platz zurück. Aus der gleichen Bewegung heraus griff sie nach dem schmalen Dolch, aber genau wie Alica gerade führte sie die Bewegung nicht zu Ende. Der Schnitt, den sie sich gestern an dieser Klinge zugezogen hatte, begann bereits zu heilen und tat auch kaum noch weh, aber sie hatte dennoch nicht vergessen, wie leicht man sich an einer Waffe wie dieser verletzen konnte. Woher sie dieses Wissen nahm, wusste sie nicht – und es war ihr auch gleich –, aber es gab nichts, was dieser so zerbrechlichaussehenden Klinge widerstand. José Peralta hatte behauptet, sie sei aus reinem Diamant gemacht, und in gewissem Sinne stimmte das vermutlich. Dennoch wusste sie, dass dieses Messer auch Diamant so mühelos schneiden würde wie Papier oder Stoff.
»Wir haben hier geschickte Handwerker«, sagte Alica. »Ich lasse dir eine Scheide machen und einen Gürtel, der ein bisschen dekorativer ist als ein Strick.«
Pia zog die Hand mit einem dankbaren Nicken vollends zurück, drehte sich halb zu ihr herum und machte dann eine Kopfbewegung zu dem Revolver hin. »Vielleicht können sie ja auch Munition herstellen«, sagte sie. »So schwer kann das nicht sein.«
»Nur, dass sie nicht funktioniert«, antwortete Alica.
»Weil niemand weiß, wie man Schießpulver zusammenmischt?« Pia machte ein demonstrativ nachdenkliches Gesicht. »Also, ganz genau weiß ich es auch nicht, aber mit ein bisschen Herumexperimentieren ...«
»Ein bisschen Schwefel, ein bisschen Holzkohle und ein Schuss Salpeter und noch zwei oder drei andere Zutaten, und du kannst dir dein nächstes Silvesterfeuerwerk selber basteln«, sagte Alica. »Du hast recht. So schwer ist es nicht.«
Pia sah sie ehrlich überrascht an. »Stammt das auch aus dem Discovery-Channel?«
»Nein«, antwortete Alica, hob die Schultern und fuhr
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