Elfenzorn
das.
»Und da behauptet Ihr, Ihr hättet nichts gefunden?« Alica hob begeistert die Arme und ging noch einmal schneller, um die andere Seite zu erreichen. Pia sah erst jetzt, dass die Zwerge nicht einfach nur in blindem Aktionismus die Wand niederzureißen versuchten, sondern hinter der Kruste aus jahrhundertealtem Schmutz und zur Härte von Beton zusammengebackenem Staub offenbar einen Durchgang entdeckt hatten, den sie jetzt mit der ihnen eigenen Emsigkeit rasch vergrößerten. Pia glaubte einen mächtigen Türsturz zu erkennen, der aus einem einzigen Felsquader bestand und mindestens eine Tonne wiegen musste, aber so niedrig war, dass sich wohl selbst die kleinwüchsigen Indios darunter hindurchbücken mussten, die diese Tür vor langer Zeit gebaut hatten. Dahinter bewegte sich etwas, aber es war zu dunkel, um es genau zu erkennen. Etwas glitzerte.
»Na also!«, rief Alica. »Gebt es zu, Gamma Graukeil, Ihr wolltet es einfach nur noch ein bisschen spannend machen, um dann umso besser dazustehen, Ihr alter Schlawiner!«
»Aber nicht doch, geehrte Alischa!«, sagte Gamma Graukeil hastig. »Es ist nur so, dass Ihr –«
Aber Alica hörte schon gar nicht mehr zu, sondern ging nur noch schneller und scheuchte mit heftigem Armewedeln und Gestikulieren die Zwerge aus dem Weg. Nur einen Moment später tauchte sie mit einer geschickten Bewegung unter dem Türsturz hindurch und war in der Dunkelheit dahinter verschwunden. Gamma Graukeil seufzte. »Ihr seid meine Zeugin, dass ich es versucht habe, Erhabene.«
Pia fragte sich zwar vergeblich, was eigentlich, nickte aber trotzdem und folgte Alica, wenn auch deutlich langsamer und angesichts Graukeils kryptischer Worte entsprechend vorsichtig. Anders als Alica gerade musste sie niemanden aus dem Weg scheuchen. Die Zwerge wichen hastig vor ihr zur Seite, und nicht wenige senkten auch demütig die Köpfe oder sanken gleich ganz auf die Knie. Pia ignorierte das, nahm sich aber fest vor, sich bei nächster Gelegenheit einmal ausgiebig mit dem Zwerg über dieses Thema zu unterhalten. Das musste aufhören.
Sie musste sich deutlich tiefer unter dem Sturz hindurchducken als Alica vor ihr und tat es nicht nur sehr viel vorsichtiger, sondern war in der nächsten Sekunde auch sehr froh, es getan zu haben. Hinter der Tür lag ein gewaltiger Raum, dessen immense Größe sie eher spürte, als sie sie wirklich sah. Gelbe Lichter tanzten vor ihr in der Dunkelheit, und es war feucht und schon fast unangenehm kühl. Aus dem schlechten Geruch war mittlerweile eindeutig Gestank geworden, den sie allerdings immer noch nicht genau einordnen konnte; obwohl sie das Gefühl hatte, es eher nicht zu wollen als zu können . Ihre Übelkeit kehrte zurück.
Kaum eine Sekunde später hatten sich ihre Augen besser an die veränderten Lichtverhältnisse angepasst, und sie stellte fest, dass sie tatsächlich gut beraten gewesen war, vorsichtig zu sein. Hinter der Tür begann eine lediglich drei Stufen zählende Steintreppe, die zu einem kaum halbmeterbreiten steinernen Sims hinabführte, hinter dem es keinen festen Boden mehr gab.Vielmehr brach sich das flackernde Licht der Fackeln auf den zähen Wellen eines gewaltigen unterirdischen Sees, der weit vor ihr mit der Dunkelheit verschmolz. Hier und da trieben Flammen auf den Wellen, wo Graukeils Männer brennende Reisigbündel ins Wasser geworfen hatten. Manche waren schon weit genug abgetrieben, um zu winzigen Funken zusammenzuschrumpfen, aber Pia spürte einfach, dass dieser unterirdische See noch sehr viel größer war; nicht einfach nur eine Zisterne, sondern tatsächlich ein nicht einmal kleiner See, der sich zwei oder drei Stockwerke tief unter dem Dschungel verbarg.
Und außerdem stank er wirklich erbärmlich.
»Na, wenn das kein Erfolg ist!« Alicas Stimme erklang irgendwo links von ihr in der Dunkelheit, aber Pia hatte Mühe, sie zu orten. Irgendetwas rauschte und klatschte, als wäre für einen kurzen Moment ein Wasserfall eingeschaltet und praktisch sofort wieder abgestellt worden. Der üble Geruch wurde noch schlimmer. Trotzdem fuhr Alica in jetzt eindeutig aufgekratztem Ton fort: »Gamma Graukeil, dieses kleine Schlitzohr! Er wollte es einfach nur spannend machen, und dabei haben wir längst gefunden, wonach seine Leute seit Monaten suchen!«
»Und was wäre das?«, fragte Pia, aber nun schien es Alica zu sein, die eine Gelegenheit für einen dramatischen Auftritt witterte, die sie sich selbstverständlich nicht entgehen ließ.
»He,
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