Elfenzorn
wasbedeutete, dass die beiden Mädchen mindestens eine Stunde brauchen würden, um die monströse Wanne zu füllen; und einmal ganz davon abgesehen, dass es ihr viel zu mühsam erschien, so lange zu warten, hätte es ihr einfach ein schlechtes Gewissen beschert, die beiden armen Dinger nur aus einer bloßen Laune heraus so schwer arbeiten zu lassen. Sie war es nicht gewohnt, Dienstboten zu haben, und eigentlich wollte sie sich auch gar nicht daran gewöhnen. Außerdem fühlte sie sich immer noch hundsmiserabel.
Vielleicht half es ja, wenn sie sich einfach eine halbe Stunde hinlegte, oder auch eine ganze.
Es wurden dann wohl eher drei oder vier, denn als sie die Augen wieder aufschlug, war die Sonne schon wieder aus dem schmalen Fenster über ihrem Bett verschwunden. Es musste bereits später Nachmittag sein, oder auch früher Abend. Sie fühlte sich ausgeruht – wenigstens so lange, bis sie sich aufsetzte und es wohl eine Spur zu hastig tat, denn ihr wurde nicht nur prompt wieder (ein wenig) übel, sondern auch schwindelig.
Eine gute Minute lang blieb sie einfach mit geschlossenen Augen sitzen und wartete darauf, dass die Dunkelheit hinter ihren Augen aufhörte, sich wie verrückt zu drehen. In ihren Eingeweiden rumorte es noch immer, aber längst nicht nicht mehr so schlimm wie vorhin.
Sie hatte sich in den letzten Tagen wohl eindeutig zu viel zugemutet. Selbst der körperlichen Leistungsfähigkeit einer wiedergeborenen Elfenprinzessin waren offensichtlich Grenzen gesetzt.
Behutsam öffnete sie die Augen – nichts geschah –, schlug die dünne Decke zurück und stellte verdutzt fest, dass sie nicht mehr dasselbe Kleid trug wie vorhin. So viel zum Thema Personal.
Sie stand auf, atmete ein paarmal tief durch und ertappte sich bei dem absurden Gedanken, sich beinahe die klare Winterluft WeißWalds zurückzuwünschen, als sie spürte, wie drückend heiß es trotz der vorgerückten Stunde immer noch war. Aus einem niemals endenden Winter heraus hatte es sie in einen genau so endlosen Hochsommer verschlagen – nun gut, mit einem kleinenUmweg über eine Stadt, in der es vielleicht ein Dutzend Menschen gegeben hatte, die nicht scharf darauf gewesen waren, sie umzubringen. Bestand ihr Leben eigentlich nur noch aus Extremen?
Sie verließ das Schlafzimmer, stellte ohne Überraschung fest, dass der große Tisch nicht nur erneuert worden, sondern bereits wieder mit einer kompletten Mahlzeit für sie gedeckt war – und für mindestens ein Dutzend weiterer Gäste –, und trat schließlich ganz aus dem Haus. Die beiden in schwarzes Eisen gehüllten Wächter, die sie erwartet hatte, waren nicht da. Dafür entdeckte sie – und auch das nur auf den zweiten Blick – gleich vier braunhäutige kleine Krieger, die nur mit Lendenschurzen und einfachen Schnürsandalen bekleidet waren, dafür aber umso größere Speere mit rasiermesserscharfen Obsidianspitzen in den Händen hielten.
Sie wollte sich an einen der Indios wenden und eine entsprechende Frage stellen, als es hinter ihr raschelte. Überrascht – wenn auch nicht sonderlich alarmiert, denn schließlich hatte sie gleich vier Leibwächter in ihrer Nähe, die zusammengenommen fast so kampfstark waren wie sie – drehte sie sich herum und sah das mannshohe Unkraut hinter sich zittern. Nur einen Moment später trat Alica aus dem Gestrüpp. Sie hatte sich umgezogen und trug zwar noch immer hauteng anliegendes schwarzes Leder, allerdings eine Menge mehr davon, und ihr Haar war zu einem strengen Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie hielt ein paar abgerissene Pflanzenstängel und Blätter in der Hand, an denen sie mit missmutigem Gesicht herumzupfte. Ein schwarzer Zigarillo qualmte in ihrem Mundwinkel, und wenn Pias Anblick sie überraschte, dann verbarg sie es meisterlich.
»Du bist also auch schon wach? Schön.«
»Und du bist nur hergekommen, um zu stänkern?«, gab Pia impulsiv zurück; und ziemlich unüberlegt, wie sie sich selbst eingestand, wenn auch wieder einmal zu spät.
»Ich bitte untertänigst um Vergebung, Durchlaucht«, antwortete Alica. »Ich meine dafür, dass ich mich um meinen eigenen Garten kümmere.«
Garten? Pia sah sich demonstrativ in der wuchernden Wildnis um. Einen Garten hätte sie das hier ganz gewiss nicht genannt. Alicas gereizter Ton hielt sie jedoch nachhaltig davon ab, auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren.
Alica hatte aber anscheinend selbst gemerkt, dass sie wohl ein wenig übers Ziel hinausgeschossen war, denn sie zwang
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