Elfenzorn
Labyrinth winziger Fältchen zu versinken schienen (irgendwie spürte sie, dass die allermeisten davon vom Lachen kamen, auch wenn das Gesicht selbst ihr eher grimmig vorkam), blickten in einer Mischung aus Sorge und Freundlichkeit auf sie herab, und die Schale blieb an ihren Lippen, bis sie sie vollkommen geleert hatte. Der bittere Geschmack hatte zumindest das Brennen in ihrer Kehle gelöscht, aber sie war nicht ganz sicher, was eigentlich schlimmer gewesen war. In ihren Eingeweiden rumorte es noch immer, doch auch die Übelkeit zog sich nun allmählich zurück.
Pia wollte sich aufsetzen, doch die braunhäutige Frau schüttelte sanft den Kopf und drückte sie wieder auf ihr Lager zurück. »Gedulde dich noch ein wenig, mein Kind«, sagte sie mit ihrem sonderbaren Akzent. »Die Medizin wirkt schnell, aber ein wenig Zeit musst du ihr schon geben.«
Medizin? Na gut, schlecht genug dafür hatte das Zeug geschmeckt. Danach zu schließen, musste es eigentlich Wunder wirken.
Sie gehorchte trotzdem, schloss die Augen wieder und lauschte in sich hinein, bis die Übelkeit auf ein etwas erträglicheres Maß gesunken war.
Als sie die Augen wieder aufschlug, konnte sie das Gesicht deutlicher erkennen, und auch ihre anderen Sinne funktionierten wieder besser. Sie spürte, dass sie nackt unter einer dünnen Decke lag, die sich so schmeichelnd wie Seide auf ihrer Haut anfühlte. Geräusche verrieten ihr, dass sie nicht allein mit der Frau mit dem dunklen Gesicht war, und in einiger Entfernung meinte sie Alicas Stimme zu hören, die in einer ihr unbekannten Sprache redete.
»Fühlst du dich besser, mein Kind?«
Pia hütete sich, zu nicken, schon aus Angst, dass die Bewegung die Übelkeit zurückbringen würde, die sich zwar schmollend wie ein gescholtener Hund in einen Winkel zurückgezogen hatte, aber keineswegs ganz verschwunden war. Sie signalisierte aber mit Blicken ihre Zustimmung, und die Wärme in den uralten Augen nahm noch einmal zu. Erst dann erkannte sie das Gesicht.
»Ixchel?«, murmelte sie unbeholfen.
»Ja. Aber deine Freundin nennt mich Isabel. Tu das ruhig auch, wenn du es möchtest. Ich glaube, dieser Name geht dir ein wenig leichter von den Lippen.«
Deine Freundin, dachte Pia. »Nicht die ehrwürdige Alischa. Irgendwie spürte sie, dass dieser Unterschied wichtig war, auch wenn sie nicht sagen konnte, warum. Es gefiel ihr.
»Isabel«, wiederholte sie. Sie hatte recht: Dieser Name ging ihr leichter von den Lippen. Sie versuchte noch einmal sich aufzusetzen und kam dieses Mal sogar bis auf die Ellbogen hoch. Die Indiofrau machte diesmal auch keine Anstalten, sie daran zu hindern.
»Was ... ist passiert?«, fragte sie. Sie erinnerte sich nicht genau, so angestrengt sie es auch versuchte. Sie war auf dem Dach gewesen, und dann ...
Alica kam herein, in ein für ihre Verhältnisse schon beinahezüchtiges Kleid gehüllt (und mit anderen Schuhen) und einen qualmenden Zigarillo im Mundwinkel. Der Anblick half ihrem Gedächtnis endgültig auf die Sprünge.
Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, wandte Ixchel den Kopf und maß Alica mit einem strafenden Blick, woraufhin sie hastig den Zigarillo aus dem Mund nahm und mit zwei schnellen Schritten am Fenster war, um ihn hinauszuschnippen.
»Besser für dich«, grollte Pia.
»Und für meine Schuhe«, gab Alica mit finsterer Miene zurück, sah sie aber dennoch mit einer Mischung aus Sorge und Erleichterung an und fragte dann sehr ernst: »Wie fühlst du dich?«
Ixchel antwortete, bevor sie es tun konnte. »Es geht ihr besser, aber sie sollte sich noch eine Weile schonen.«
»Falls du sie nicht vorher mit deiner Medizin umbringst, meinst du?«, fragte Alica.
Ixchel würdigte diese Frage nicht einmal einer Antwort, sondern wandte sich wieder an Pia. »Du musst keine Angst haben, Kind. Du wirst dich bald besser fühlen, und die Übelkeit hält sowieso nur in den ersten Wochen an. Trotzdem solltest du ganz im Allgemeinen jetzt ein bisschen vorsichtiger sein ... aber das muss ich dir ja kaum extra sagen, oder?«
Doch, musste sie. Pia sah sie nur verstört an und stemmte sich behutsam weiter in die Höhe. »Was ... soll das heißen?«
»Kein Ausflug in irgendwelche Silberkammern mehr und auch keine Wrestling-Einlagen mit durchgeknallten Riesensittichen«, sagte Alica feixend. Aber ihre Augen blieben ernst. »Und natürlich keine Zigaretten, kein Dope und kein Alkohol. Außerdem werde ich schon mal anfangen, einen Hechelkurs zu organisieren, Babyklamotten häkeln
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