Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. »Aber dürfte ich Sie trotzdem um einen Gefallen bitten? Einen sehr großen Gefallen?«
    »Nur zu.«
    Pia deutete nervös auf den Ring. »Würden Sie … ich meine, würde es Ihnen etwas ausmachen, ihn zurückzulegen? Er bedeutet mir sehr viel.«
    Obwohl du gerade noch behauptet hast, ihn vor zwei Stunden das erste Mal gesehen zu haben?, fragte sein Blick, und das so deutlich, dass sie die Worte beinahe zu hören glaubte. Und natürlich griff er wieder nach dem Ring und drehte ihn einen Moment lang nachdenklich in den Fingern. Die dünnen Schattenlinien auf seiner Oberfläche schienen regelrecht zu explodieren. Die Spinnenbeine tappten jetzt nicht mehr. Sie rannten. Pia hielt in Erwartung von irgendetwas Schrecklichem den Atem an.
    »Ja, das verstehe ich«, sagte José. Fast behutsam legte er die beiden verblassten Fotos in die Pappschachtel zurück, gab auch den Ring dazu und setzte schließlich den Deckel auf das Kästchen, und etwas wie ein lautloses Zischen der Enttäuschung hallte hinter Pias Stirn wider und erlosch.
    Peralta reichte das Kästchen an Toni weiter, der es achtlos in der Jackentasche verschwinden ließ, und wandte sich mit einem bedauernden Blick wieder an sie. »Und jetzt muss ich mich leider entschuldigen. Es gibt da ein paar Dinge, um die ich mich kümmern muss, wie du dir sicher denken kannst. Wir unterhalten uns später weiter, versprochen.« Er stand auf, eine Bewegung, die ihm nicht nur sichtlich Mühe bereitete, sondern ihn auch unter der Last seines eigenen Gewichts schnauben ließ. »Toni zeigt dir dein Zimmer.«

    Sie selbst wäre wohl die Allerletzte gewesen, die es auch nur für möglich gehalten hätte … aber Max und sein angeblicher Bruderhatten sie kaum in das geräumige Gästezimmer der Peralta-Villa hinaufgebracht, als sie auch schon auf das herrlich breite Bett sank und auf der Stelle einschlief.
    Sie erwachte erst spät am Nachmittag und mit dem herrlichen Gefühl, so traumlos und tief geschlafen zu haben wie schon seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr. Die Sonne schien hell durch die beiden großen (vergitterten) Fenster, aber sie spürte, dass sie schon bald wieder untergehen würde. Gedämpfte Stimmen und andere, unidentifizierbare Laute drangen durch die geschlossene Tür, und es war herrlich warm. Der Gedanke, praktisch den ganzen Tag verschlafen zu haben, bereitete ihr nicht das mindeste schlechte Gewissen, sondern eher das genau gegenteilige Gefühl, sich etwas gestattet zu haben, was sie schon lange gebraucht hatte. Und sie hatte es sich schließlich auch redlich verdient. Auch eine wiedergeborene Elfenprinzessin und Ork-Töterin brauchte dann und wann eine Mütze voll Schlaf.
    Der Gedanke brachte sie zum Lächeln. Gähnend setzte sie sich auf, reckte sich ausgiebig und ungeniert und bemerkte erst jetzt, dass sie sich aus alter Gewohnheit komplett angezogen hingelegt hatte. Bei den Temperaturen, die trotz der leise summenden Klimaanlage hier drinnen herrschten, war das im Gegensatz zu dem kuscheligen WeißWald nun wirklich nicht nötig; und zurück auf dieser Seite der Wirklichkeit bereitete ihr der Gedanke sofort ein sachte schlechtes Gewissen, etwas getan zu haben, das sich … nicht gehörte?
    Außerdem hatte sie das Ergebnis ihres ausgiebigen Bades aus der vergangenen Nacht damit zunichtegemacht. Sie roch schon wieder nach Schweiß.
    Trotzdem blieb sie noch eine geraume Weile im Schneidersitz auf dem Bett hocken und genoss einfach den puren Luxus, der sie umgab. Ihre Finger strichen über die kostbare Bettwäsche aus Seide, und sie konnte sich an der sparsamen, aber erlesen kostbaren Einrichtung gar nicht sattsehen. Alles hier war so hell und großzügig, und vor allem sauber.
    Während ihrer Zeit in WeißWald hatte sie sich mit wachsendem Erfolg selbst eingeredet, nichts aus der lauten und feindseligen Welt der Favelas zu vermissen, aber so ganz stimmte das offensichtlich nicht. Man konnte viel gegen die Zivilisation sagen, aber sie hatte durchaus ein paar Segnungen hervorgebracht, die man mit Fug und Recht als solche bezeichnen konnte. Sie fragte sich, was Brack wohl sagen würde, könnte er dieses Zimmer sehen.
    Dann fragte sie sich, ob Brack überhaupt noch lebte. Und Lasar, und all die anderen, die sie in der brennenden Stadt zurückgelassen hatte.
    Die Antwort auf diese Frage wollte sie gar nicht wissen. Nicht jetzt. Sie würde nur den Schmerz zurückbringen, die Erinnerung an all die Gefahren und Schmerzen,

Weitere Kostenlose Bücher