Elfenzorn
Jesus.
»Ganz genau.« Alica schnitt Jesus eine Grimasse, aber als sie sich wieder zu Pia herumdrehte, war ein Ausdruck von echter Sorge in ihren Augen zu erkennen. »Wie fühlst du dich?«
»Nass«, antwortete Pia.
»Das meinte ich eigentlich weniger«, feixte Alica. »Man sieht es. Und nur falls es die Erhabene interessiert: Man sieht auch, dass das Wasser ziemlich kalt ist. Die Erhabene trägt nämlich nur ein wirklich dünnes Kleid.«
Pia sah hastig an sich herab, stellte fest, dass sie die Wahrheit sagte, und Alica fügte genüsslich hinzu: »Ach und noch etwas, Erhabene. Ich kann Euch versichern, dass unsere spitzohrigen Freunde zwar ein bisschen komisch aussehen, in den wesentlichen Teilen aber trotzdem ganz normale Männer sind.«
Pia bemühte sich zwar mit aller Kraft, es nicht zu tun, sah aber trotzdem zu den beiden Reitern hin, die ihrerseits die Köpfe in ihre Richtung gedreht hatten und sie ganz unverhohlen anstarrten. Und zwar nicht unbedingt ihr Gesicht.
»Aha«, sagte Pia. Sie widerstand der Versuchung, die Arme vor der Brust zu verschränken, und zog stattdessen die nassen Haare nach vorne. Alicas Feixen wurde nur noch breiter.
»Eigentlich wollte ich wissen, wie es dir geht«, erklärte sie, während sie ihr mit unverhohlener Schadenfreude dabei zusah, wie sie aus dem Wasser kam und dabei die Tatsache zu ignorieren versuchte, dass sie ein Kleid aus einem Stoff trug, der praktisch unsichtbar wurde, wenn er nass war. »Keine Morgenübelkeit?«
»Den Morgen habe ich verschlafen«, knurrte Pia. »Zusammen mit der Morgenübelkeit.«
»Dann können wir davon ausgehen, dass du heute nicht ganz so unerträglich bist wie sonst?«
»Unerträglich?«
»Unerträglich gut gelaunt, meine ich natürlich, erhabene Prinzessin.« Alica deutete einen spöttischen Hofknicks an und schüttelte dann den Kopf, als Pia an ihr vorbei und wieder zum Wagen gehen wollte, um dieser peinlichen Situation genauso schnell wieunauffällig zu entgehen. Pia hatte zwar nicht einmal gesehen, dass ihre beiden Dienerinnen überhaupt gegangen waren, aber Maxi kam in diesem Moment bereits zurück und legte ihr einen bunten Federmantel um die Schultern. Er war überraschend schwer und roch ein bisschen muffig, aber wenigstens war er nicht durchsichtig.
»Wir können weiterfahren, meinetwegen«, sagte sie unbehaglich.
»Es ist sowieso Zeit für eine Rast«, sagte Alica. »Wir sind die ganze Nacht durchgefahren, und die Pferde sind müde. Ich sage den Mädchen Bescheid, dass sie etwas zu essen machen.«
»Die ganze Nacht?« Pias schlechtes Gewissen meldete sich, obwohl es eigentlich gar keinen Grund dafür gab. »Und wieso hast du mich so lange schlafen lassen?«
»Was hättest du denn tun wollen?«, erkundigte sich Alica. »Ein bisschen schieben? Außerdem ist jede Stunde, die du schläfst, eine Stunde weniger, in der ich dein Genörgel ertragen muss.«
Pia wartete, bis Alica eingesehen hatte, dass sie keine Antwort darauf bekommen würde, und sich mit einem schnippischen Zurückwerfen des Kopfes umdrehte und ging, aber dann wandte sie sich an Jesus und fragte noch einmal: »Unerträglich?«
»Sie ist nervös«, antwortete Jesus. »Und ein bisschen übermüdet, das ist alles.«
»Nein, das ist es nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr.«
Jesus hob nur die Schultern und wich nach einer weiteren Sekunde sogar ihrem Blick aus, aber dann antwortete er doch. »Ich glaube, sie hatte einen ziemlich heftigen Streit mit Eirann.«
»Und das lässt sie an mir aus?«
»Es ging um dich, soviel ich weiß.«
»Um mich?«
»Sie hat nicht viel erzählt, aber ich glaube, Eirann war nicht besonders glücklich über dein Weggehen. Er wollte wohl, dass sie dich überredet, heimlich zurückzukommen ... aber genau weiß ich es nicht.«
»Das klingt doch nach einer vernünftigen Idee«, sagte Pia. »Sie könnte beinahe von mir sein.«
»Alica war da wohl anderer Meinung. Sie glaubt auch, dass du am besten möglichst weit weg von dieser Mine aufgehoben bist.« Er zuckte erneut die Achseln. »Eirann ist ein stolzer Mann, aber du kennst ja Alica. Schätze, zwischen den beiden sind ganz schön die Fetzen geflogen.«
Pia lächelte zwar flüchtig, aber es fiel ihr trotzdem schwer, zu glauben, dass sich ausgerechnet Alica auf Ixchels Seite schlagen sollte.
»Sie hat wirklich Angst um dich«, sagte Jesus.
»Ixchel?«
»Alica. Und Ixchel auch, ja. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, ich auch. Ich habe es nie gesehen, aber man hat mir erzählt,
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