Elfenzorn
wart; und nachdem ihr Blutdruck wieder unter siebenhundert gesunken war.«
»Was hat sie dir gesagt?«, fragte Pia beunruhigt.
»Du solltest dich nicht von dem täuschen lassen, was du siehst«, sagte Alica. Sie zündete sich einen Zigarillo an, was sie einige Mühe kostete, denn ihr Feuerzeug funktionierte erst beimfünften oder sechsten Versuch. »Nicht alle dort sind glücklich über unsere Anwesenheit. Kukulkan und seine Priester und Generäle wissen, dass sie Nandes und seine Ork-Horden nicht allein aufhalten können. Sie brauchen uns, wenn sie überleben wollen. Aber das bedeutet nicht, dass sie uns auch lieben.«
»Den Eindruck hatte ich nicht«, sagte Pia.
»Dieses Land hier hat einmal ihnen gehört«, fuhr Alica mit einem Achselzucken fort. »Und sie haben nicht vergessen, wer es ihnen weggenommen hat.«
»Das ist über tausend Jahre her!«, protestierte Pia.
»Und sie sind ein sehr stolzes Volk«, erwiderte Alica. Dann lachte sie. »Aber vielleicht spintisiere ich mir das ja auch alles nur zusammen.«
»Genau wie Ixchel?«
»Wie Ixchel«, antwortete Alica, und Pia war sehr sicher, dass sie nicht nur rein zufällig diesen Namen benutzte, »ist eine verrückte alte Frau. Ziemlich reizend, wenn du mich fragst, aber trotzdem vollkommen durchgeknallt. Vielleicht wird man ja so, wenn man so alt ist. Sie vermutet hinter jedem Schatten eine Falle und hinter jedem Baum einen Attentäter.« Sie hob abermals die Schultern. »Doch in diesem Punkt stimme ich ihr zu: Es ist wahrscheinlich besser, wenn wir nicht nach Chicken Pizza gehen.«
»Sondern?«
»Ein paar Freunde haben wir noch«, erwiderte Alica ausweichend. »Und wenn es Eirann und Ixchel gelingt, diese verdammte Silbermine zu zerstören, dann haben wir sogar eine Chance, diesen Krieg zu überleben.«
Sie sagte nicht gewinnen , und auch das entging Pia keineswegs.
Etwas wie Verzweiflung begann sich in ihr breitzumachen, unerwartet und gnadenlos so wie ein Schmerz, der sie vollkommen überraschend ansprang. Ganz plötzlich wurde ihr klar, wie verzweifelt ihre Lage, und wie einsam sie hier wirklich war. Abgesehen von Alica und Jesus gab es möglicherweise auf dieserganzen Welt niemanden mehr, dem sie wirklich trauen konnte. Nicht einmal Ixchel, wie ihr Alicas Worte klargemacht hatten.
»Und dann?«, fragte sie.
»Was – dann?«
»Selbst wenn wir diesen Krieg überleben«, antwortete Pia. »Sogar wenn wir ihn gewinnen – was dann?«
»Ich verstehe nicht genau –«, begann Alica, und Pia unterbrach sie in einem Ton, dessen Schärfe selbst sie ein wenig überraschte:
»Ich glaube, das weißt du genau, Alica. Ich wollte das alles hier nicht. Ich wollte nicht hierher und ich wollte auch niemals eine Prinzessin sein.«
»Ich schon«, sagte Alica, aber Pia schüttelte nur noch einmal den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Wolltest du nicht. Erzähl mir nicht, dass du deine Erfüllung darin gesehen hast, dich von aller Welt hofieren zu lassen und nach Herzenslust herumzuvögeln. Vielleicht die Alica, die du früher einmal warst; aber die bist du schon lange nicht mehr.«
Alica widersprach nicht, aber das war schon Antwort genug, und Pia fuhr fort: »Alles, was ich wollte, war, eine ehrliche, erfolgreiche Diebin zu werden und irgendwann meinen Traumprinzen zu finden, der mich auf sein weißes Pferd hebt.«
»Damit kann ich nicht dienen«, sagte Alica. »Aber ich kann mich ja mal nach einem weißen Trex umhören. Ter Lion mag diese bissigen kleinen Mistviecher und –«
Pia brachte sie mit einem eisigen Blick zum Verstummen.
»Ja, ich verstehe, was du meinst«, sagte sie mit ungewohntem Ernst. »Aber das Schicksal fragt uns nicht immer, ob wir mit dem einverstanden sind, was es für uns vorbereitet hat.«
»Sprach die allwissende Müllhalde«, seufzte Pia. »Und was hilft uns das weiter?«
»Gar nicht«, antwortete Alica. »Problem erkannt, Problem gebannt ... scheint wohl nicht immer und unbedingt zu stimmen. Vielleicht sollten wir uns allmählich mit der zweitbesten Lösung anfreunden und versuchen, das Beste aus unserer Lage zu machen.«
Und das war nun ganz und gar nicht mehr die Alica, die sie aus Rio de Janeiro kannte. Ihre Worte machten sie zornig, obwohl (oder vielleicht gerade weil?) sie wusste, dass sie recht hatte.
Fast wie auf Stichwort erschienen in diesem Moment Maxi und Sonja, um den Rest ihres Essens zu bringen, sodass sie immerhin einen Vorwand hatte, nicht antworten zu müssen.
Sie aßen schweigend, und dieses Schweigen wurde noch
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