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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unverändert fröhlich auf sie herab, aber sie machte auch keinen Hehl aus ihrem Erstaunen über die gewaltige Portion, die sie verputzt hatte.
    »Dir scheint es ja geschmeckt zu haben«, sagte sie, während sie bereits damit begann, das Geschirr abzuräumen.
    Die ganz ehrliche Antwort darauf wäre gewesen: nicht besonders. Das Essen war köstlich gewesen, keine Frage; sonst hätte sie trotz ihres Bärenhungers kaum so viel davon gegessen, aber irgendetwas … hatte gefehlt. Sie konnte nicht sagen, was. Vielleicht etwas, das es nur in WeißWald gab. Vielleicht war auch etwas darin gewesen, was es dort nicht gab.
    Max nahm den Faden auf. »Ja, man könnte fast glauben, dass du eine Woche auf der Flucht gewesen bist, und nicht nur ein paar Stunden.«
    »So fühle ich mich auch«, antwortete Pia und beugte sich ächzend vor, um sich ihren inzwischen fünften Kaffee einzuschenken. Vielleicht war es auch schon der sechste. Sie fühlte sichjedenfalls so vollgefressen, dass ihr selbst diese kleine Bewegung gewaltige Mühe bereitete. So weit, sie ihr abzunehmen, gingen Max’ und Tonis neu gewonnene gute Manieren nun aber nicht. »Um sein Leben laufen macht anscheinend hungrig.« Sie wollte noch mehr sagen, aber in diesem Moment glaubte sie schon wieder eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrzunehmen und fuhr erschrocken herum.
    Sie hatte sich nicht getäuscht, aber es war trotzdem harmlos; es war nur einer von Peraltas Sonnenbrillen tragenden Gorillas, der auf seiner Runde am Fenster vorbeikam und ganz unverhohlen neugierig zu ihnen hereinstarrte.
    Max zog fragend die Augenbrauen hoch. »Nichts«, sagte Pia hastig. »Ich bin wohl … ein bisschen schreckhaft, das ist alles. Um sein Leben laufen macht anscheinend nicht nur hungrig, sondern auch paranoid.«
    »Kann ich nur bestätigen«, sagte Toni. Irgendetwas schien sich immer noch auf der anderen Seite des Fensters zu bewegen, obwohl der Posten auf seinem Patrouillengang längst weitergezogen war, aber Pia gestattete sich nicht, noch einmal hinzusehen. »Hast du so viel Übung darin?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete Toni ungerührt. »Aber schon ein paarmal dabei zugesehen.«
    Ja, er war ein richtig harter Bursche. Sie trank hastig einen weiteren Schluck Kaffee, um nicht etwas zu antworten, was sie später bedauern würde. Der Schatten war immer noch da.
    Eigentlich nur, um überhaupt etwas zu sagen, drehte sie sich zu Max herum. »Das mit deiner Nase tut mir leid. Ich hoffe, sie ist nicht gebrochen.«
    »Ist sie«, antwortete Max, grinste aber zugleich schief und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber mach dir nichts draus. Das macht mich wahrscheinlich nur markanter. Ich werd einfach jedem erzählen, dass ich mich mit vier Riesenkerlen gleichzeitig geprügelt habe.«
    »Und gewonnen«, vermutete Pia.
    »Und gewonnen«, bestätigte Max. »Was denn sonst?« Er lachte leise und wurde sofort wieder ernst. »Also das mit gestern Nacht … das tut mir leid. Toni ist normalerweise nicht so, aber wir wussten nicht, womit wir es zu tun haben.«
    Sie wussten es auch jetzt noch nicht, dachte Pia, und das war auch gut so. Die Vorstellung, was die beiden Großmäuler wohl sagen würden, wenn sie urplötzlich ein paar von Hernandez’ Barbarenkriegern gegenüberstanden – oder gar einem ausgewachsenen Ork! –, war zwar ganz amüsant, aber sie gab dennoch mehr Anlass zu Schrecken als zu Schadenfreude.
    »Schon gut«, sagte sie. »Ich bin ja selbst schuld. Ich meine: Es war schon ziemlich blöd, wieder dahin zurückzugehen. Einigen wir uns darauf, dass wir quitt sind?«
    Max prostete ihr mit seiner Kaffeetasse zu, und sie sah zumindest aus den Augenwinkeln, wie Toni ihr zunickte. Sie sah auch noch etwas anderes aus den Augenwinkeln. Dünne, knochenbleiche Finger mit zu vielen Gelenken und zu spitzen Krallen zugefeilten Nägeln. Diesmal kostete es sie all ihre Willenskraft, nicht in die entsprechende Richtung zu sehen; und vielleicht hätte sie es trotzdem getan, hätte Max nicht anscheinend irgendetwas in ihrem Gesicht bemerkt und plötzlich selbst mit einem Ruck den Kopf gedreht, um eine Sekunde lang aufmerksam zum Fenster hinzusehen. Dann zuckte er mit den Schultern und nahm das unterbrochene Gespräch an derselben Stelle wieder auf, als wäre gar nichts gewesen.
    »War auch nicht besonders schlau von mir, mich hinter der Tür zu verstecken, nicht wahr? Ein typischer Anfängerfehler. Geschieht mir ganz recht.« Er betastete mit spitzen Fingern seine geschwollene Nase und

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