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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schwarze Kästchen sah, das Toni versehentlich halb mit herausgezogen hatte. Der Anblick überraschte sie vollkommen. Sie hätte ihre rechte Hand darauf verwettet, dass Peralta die Schachtel in den sichersten Safe seines Hauses einschließen und von mindestens drei mit Maschinengewehren bewaffneten Hundestaffeln bewachen ließ.
    Ihr Blick blieb Toni natürlich nicht verborgen. Er legte das Taschentuch vor sich auf den Tisch und zog das Kästchen ganz hervor.
    »Tu das weg«, sagte Max.
    Statt das Kästchen wieder einzustecken, warf Toni ihm nur einen schrägen Blick zu und nahm mit spitzen Fingern den Deckel ab. Pia wünschte sich, er hätte das nicht getan. Etwas wie ein Schatten schien aus dem Kästchen zu fliehen und mit der Realität zu verschmelzen, sie gleichzeitig aber auch auf sonderbare Weise zu verändern. Etwas wisperte hinter ihrer Stirn, leiser als die flüsternde Stimme von gerade, aber böser.
    »Bitte tu das … nicht –«, sagte sie stockend.
    »Toni sah sie zwar einen halben Atemzug lang verwirrt an, griff aber dann doch in das Kästchen und nahm die beiden Fotografien heraus, um sie eingehend zu betrachten. »Das ist wirklich stark. Und du bist sicher, dass die Bilder echt sind?«
    Pia konnte nicht darauf antworten. Ihr Herz raste. Die Schatten waren jetzt nicht mehr nur in ihren Augenwinkeln, sondern … überall.
    »Was soll daran falsch sein?«, fragte Consuela. Sie war hinter ihn getreten und beugte sich über seine Schulter, um die Bilder genauer ansehen zu können. »Man sieht doch, dass sie es ist.«
    Toni nutzte die Gelegenheit, um ganz unverhohlen in ihren Ausschnitt zu linsen und noch unverschämter zu feixen. »Und genau das ist das Problem, Süße. Die Bilder sind zwanzig Jahre alt.«
    »Zwanzig Jahre?« Consuela riss die Augen auf. »He, das ist erstaunlich! Dann ist das … deine Mutter?« Sie sah Pia genauso fragend wie ungläubig an, legte die Stirn dann in noch tiefere Falten und griff in das Kästchen. »Na, der ist ja hübsch!«, sagte sie, während sie den schweren Silberring herausnahm und eindeutig bewundernd in den Fingern drehte. »Darf ich mal?«
    »Nein!«, keuchte Pia entsetzt.
    Aber es war zu spät. Consuela hatte den Ring bereits über den Ringfinger der linken Hand geschoben, und hinter ihr erschien eine haarfeine schwarze Linie, die die Wirklichkeit wie ein Schnitt mit einem unvorstellbar scharfen Skalpell spaltete, und das Gespenst trat heraus.
    Consuela begriff nicht einmal mehr, was sie tötete. Das Gespenst legte ihr seine dürren Knochenfinger um den Kopf und brach ihr mit einer fast beiläufig wirkenden Bewegung das Genick. Toni keuchte vor Überraschung und prallte so erschrocken zurück, dass er vom Stuhl fiel (was ihm wahrscheinlich das Leben rettete). Das Gespenst schleuderte Consuelas reglosen Körper zur Seite und wandte sich zu Pia um. Seine Augen waren wiezwei schwarze Abgründe, hinter denen nur das Nichts lauerte, aber seine Haltung, jede Faser seines Körpers, jedes Molekül, aus dem es gemacht war, strahlten Hass aus, und die unaufhaltsame Entschlossenheit zu töten.
    Sie zu töten.
    Vielleicht wäre es ihm auch gelungen, hätte Max nicht als Einziger die Nerven behalten und richtig reagiert; auch wenn es wenig brachte. Er war aufgesprungen und zurückgeprallt. In seinen Händen erschien plötzlich wie hingezaubert ein kurzläufiger Revolver. Noch bevor Consuelas lebloser Körper auf dem Boden aufschlug, drückte er zweimal hintereinander ab. Die Kugeln stanzten zwei geradezu lächerlich kleine, rauchende runde Löcher in die Brust des Gespenstes, ganz genau dort, wo bei einem Menschen das Herz gewesen wäre (Pia bezweifelte nicht nur, dass dieses Ding auch nur irgendetwas mit einem Menschen gemein hatte, sondern auch, dass es überhaupt wusste, was ein Herz war), durchschlugen seinen ausgemergelten Körper ohne die geringste Mühe und richteten dafür umso größeren Schaden an der Einrichtung der Küche hinter ihm an. Funken stoben. Irgendetwas explodierte mit einem sonderbar trockenen Knall, und ein Teil der Küche verschwand in einer Wolke aus grauem Dampf, der zischend aus einer beschädigten Leitung entwich, doch das Gespenst besaß nicht einmal den Anstand zu wanken.
    »Verdammte Scheiße, was ist das?«, keuchte Max, hob seine Waffe ein winziges Stückchen höher und gab so schnell hintereinander zwei weitere Schüsse ab, dass der doppelte Knall zu einem einzigen lang anhaltenden Krachen zu verschmelzen schien. Das Gespenst torkelte, durch

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