Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Verstand initiiert wurde, weil dieser der Meinung war, es bei einem Anblick wie diesem empfinden zu müssen. Vielleicht erschrak sie ein ganz kleines bisschen, als sie sah, wie jung er noch war, eigentlich eher noch ein Junge und kein Mann.
    »Erhabene«, flüsterte er.
    Pia verzichtete darauf, ihn zu verbessern. »Strengt Euch nicht an«, sagte sie sanft. »Der Heiler ist gleich da.«
    »Ich brauche keinen Heiler«, antwortete er. Obwohl er die Berührung des Todes schon fühlen musste, war seine Stimme fest, und auf seinem schrecklich bleichen Gesicht erschien sogar die Andeutung eines Lächelns. »Ich habe alles, was ich brauche. Ihr seid zurückgekehrt, und nun weiß ich, dass unser Volk überleben wird, und kann in Ruhe sterben.«
    »Redet keinen Unsinn!«, sagte sie mit übertrieben gespielter Strenge, aber auch mit einem Lächeln. »Hier wird nicht gestorben. Das erlaube ich Euch nicht.« Sie beugte sich vor, um ihn zuberühren und ihm etwas von ihrer Kraft zu geben, doch der Elb schüttelte so erschrocken den Kopf, dass sie mitten in der Bewegung innehielt.
    »Nein«, sagte er. »Das wäre vergebens. Spart Euch Eure Kraft für die auf, denen sie wirklich helfen kann.«
    Aha, das wussten sie also auch schon, dachte Pia. Sie musste sich unbedingt ein wenig länger mit einem der Elben unterhalten, vorzugsweise mit Landras, an dem sie ihre üble Laune ohne größere Gewissensbisse auslassen konnte, wenn ihr seine Antworten nicht gefielen. »Meint Ihr nicht, dass es meine Entscheidung sein sollte, wessen Leben wichtig ist und wessen nicht?«, fragte sie.
    Der sterbende Krieger schüttelte nur noch einmal den Kopf. »Ihr seid nicht von unserem Volk«, sagte er, »und wahrscheinlich wisst Ihr es nicht, aber wir Elben spüren es, wenn der Tod naht. Nichts kann das jetzt noch ändern.«
    Sie spürte, dass das die Wahrheit war. »Was kann ich dann für dich tun?«, fragte sie.
    »Ihr habt schon alles getan«, antwortete er. »Zum ersten Mal seit so vielen Jahrhunderten hat unser Volk wieder Hoffnung.« Er zögerte. »Aber Ihr könntet ...«
    Er sprach nicht weiter, doch es fiel ihr nicht besonders schwer, den Rest seiner Worte zu erraten. »Ich bleibe bei Euch, bis es vorbei ist«, versprach sie.
    Der junge Elbenkrieger lächelte dankbar und schloss die Augen, und als sie ihre Bewegung einen Moment darauf doch zu Ende führte und die Hand auf seine Stirn legte, war schon kein Leben mehr in ihm.
    Pia blieb noch einige Augenblicke in unveränderter Haltung sitzen und wartete darauf, wenigstens irgendetwas zu empfinden – und sei es nur Abscheu vor sich selbst, weil sie eben nichts empfand –, aber nicht einmal das geschah. Sie wurde sich lediglich der Blicke weiterer Verwundeter bewusst, die auf sie gerichtet waren, und vielleicht gab ja diese Erkenntnis den Ausschlag. Wenn auchauf eine vollkommen andere Art, als sie sich eingestehen wollte, war das Sterben des jungen Elben doch nicht annähend so spurlos an ihr abgeprallt, wie sie sich einzureden versuchte, und sie verspürte wenig Lust zu einer Wiederholung; oder gar mehreren. Sie stand auf, schob das Schwert in die lederne Scheide an ihrem Gürtel und ging.
    Sie musste länger in der schmalen Schlucht gewesen sein, als ihr bisher bewusst gewesen war, denn die Sonne war bereits völlig aufgegangen und tauchte das Schlachtfeld in goldfarbenes Licht, das sie nahezu dazu brachte, sich die Dunkelheit der Nacht zurückzuwünschen, enthüllte es ihr doch eindeutig mehr Einzelheiten, als sie sehen wollte. Die überlebenden Orks und Barbaren waren in mehrere unterschiedlich große Gruppen aufgeteilt und sorgsam gefesselt worden, die von bewaffneten Elben und einer Anzahl spürbar nervöser Trexe bewacht wurden. Eine deutlich größere Anzahl Krieger bildete einen waffenstarrenden Halbkreis vor dem offenen Mineneingang. Überall lagen Tote; Menschen, Orks und erschlagene Trexe und buchstäblich Aberhunderte der grässlichen Monstervögel, von denen etliche noch lebten und ihren Schmerz mit misstönenden Schreien zum Ausdruck brachten. Die verwundeten und toten Elbenkrieger waren bereits weggebracht worden. Das improvisierte Feldlazarett, aus dem sie gerade kam, war offensichtlich nicht das Einzige seiner Art.
    Pia blieb eine geraume Weile im Ausgang der schmalen Schlucht stehen und lauschte in sich hinein. Auch jetzt war das, was sie empfand, nicht unbedingt das, was sie erwartet hätte. Sie war entsetzt, aber genau wie ihr vermeintliches Mitgefühl mit dem sterbenden Jungen

Weitere Kostenlose Bücher