Elfenzorn
die pure Wucht der Schüsse zurückgerissen, die dieses Mal sein Gesicht verheerten.
Doch nicht einmal das vermochte es ernsthaft zu verletzen ( wie sollte man auch etwas töten, das niemals gelebt hatte? , dachte Pia hysterisch), aber die Schüsse rissen sie auch endlich aus der Starre, die beim Auftauchen des Gespenstes von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie sprang so abrupt auf, dass ihr Stuhl miteinem Knall umfiel, und das Gespenst starrte sie hasserfüllt aus dem einen grundlosen Auge an, das in seinem von Kugeln zerstörten Gesicht noch verblieben war, machte einen schwerfälligtapsenden Schritt in ihre Richtung und fegte den Tisch mit einer unwilligen Bewegung zur Seite. Pia prallte mit einem halb erstickten Keuchen weiter zurück, das im Bersten und Klirren von zerbrechendem Glas und Porzellan unterging, und auch Max brachte sich mit einem hastigen Sprung in Sicherheit, hob aber trotzdem in der gleichen Bewegung seine Waffe und schoss noch einmal. In seiner Aufregung verfehlte er das Gespenst, obwohl es keine zwei Meter vor ihm stand, und die Kugel prallte Funken sprühend an irgendetwas Metallenem ab, heulte als Querschläger durch die Küche und zertrümmerte eine der großen Fensterscheiben, die in einem klingenden Wasserfall aus Glasscherben in sich zusammensank.
Pia erwachte zum zweiten Mal und jetzt endgültig aus ihrer Starre, fuhr auf dem Absatz herum und raste davon. Hinter ihr erklang ein Laut wie das Fauchen einer enttäuschten Katze, und von draußen antwortete ein Chor aus aufgeregten Stimmen und wütendem Hundegebell auf die Schüsse. Pia achtete nicht darauf, sondern rannte nur noch schneller, erreichte mit zwei, drei gewaltigen Sätzen die Tür und griff mit beiden Händen nach der Klinke. In ihrer Aufregung zog sie daran, statt die Tür aufzudrücken, und verlor eine unendlich kostbare Sekunde, in der die unheimliche Kreatur wie ein elektrisches Gewitter in der Luft auf sie zuraste. Sie konnte es spüren, wie einen fauligen Hauch, der ihre Seele verpestete.
Der Panik nahe korrigierte sie ihren Fehler, stieß die Tür auf und warf einen hastigen Blick über die Schulter zurück, während sie hindurchstürzte. Das Gespenst stakste mit sonderbar eckigen Schritten hinter ihr her, die langsam aussahen, aber alles waren, nur nicht das, und sie begriff, dass es sie einholen würde, noch bevor sie ganz aus der Küche heraus war. Sie versuchte es trotzdem, und das Schicksal überlegte es sich noch einmal anders undkam ihr in Gestalt eines fünfundvierzigjährigen schwarzhaarigen Möchtegern-Machos zu Hilfe.
Toni sprang auf, riss mit einem gellenden Wutschrei eine Waffe unter seiner Jacke hervor und rammte dem Gespenst die Mündung gegen den Hinterkopf.
»He, Arschloch!«, brüllte er. Und drückte ab.
In irgendeinem amerikanischen Action-Film hätte das vermutlich auch eine wunderbar dramatische Szene mit einem Happy End ergeben, und auch hier funktionierte zumindest der erste Teil. Die Kugel durchschlug den Schädel des Gespenstes so gründlich, dass selbst das Mündungsfeuer wie ein kleiner orangeroter Blitz aus seiner Stirn herausstach, und das unglaubliche Geschöpf vollführte eine grotesk nickende Kopfbewegung, während Pia sich hastig duckte, um nicht von Tonis Kugel getroffen zu werden. Das Geschoss fetzte eine halbe Handbreit über ihr Holzsplitter und Lack aus dem Türrahmen und zertrümmerte irgendetwas draußen im Flur. Das Gespenst wirbelte mit einer seltsam schwerfällig wirkenden Bewegung herum, packte Toni mit beiden Händen und schleuderte ihn quer durch die Küche und durch das zweite, bisher noch intakt gebliebene Fenster. Max feuerte erneut und traf auch dieses Mal, und vor den zerborstenen Fenstern tauchten plötzlich mit Sonnenbrillen und kurzläufigen Maschinenpistolen bewaffnete Männer auf. Etwas Kleines, das nur aus Muskeln, einem Stachelhalsband und langen gebleckten Zähnen zu bestehen schien, sprang mit einem gewaltigen Satz herein und warf sich auf den unheimlichen Angreifer, und Pia kam zu dem Schluss, endgültig genug gesehen zu haben, warf die Tür hinter sich ins Schloss und raste wie von Furien gehetzt los.
Am anderen Ende des langen Flures tauchte eine weitere Gestalt mit Sonnenbrille und halb erhobener Schusswaffe auf und schrie ihr etwas zu, was sie nicht verstand, und Pia rannte nur noch schneller und jetzt im Zickzack. Schreie und ein wildes, knurrendes Kläffen drangen durch die geschlossene Tür hinter ihr, und dann ein schrecklicher Laut wie von einem
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