Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
war sie doch sicher, dass sie sich in einem besonders ergiebigen Teil der Mine befanden. »Allmählich habe sogar ich es begriffen, weißt du?«
    Lion hantierte irgendwo in der Dunkelheit hinter ihr herum. Etwas klapperte. »Gehe ich Euch etwa auf die Nerven, Hoheit?«, maulte er. »Warum wohl? Weil ich vielleicht recht habe?«
    »Und selbst wenn!«, erwiderte sie gereizt. »Glaubst du, dass das irgendetwas ändert?«
    »Nein«, antwortete Lion. »Aber es tut gut.«
    Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie dieses Gespräch noch stundenlang fortsetzen konnten, ohne dass einer von ihnenaufgab. Also ging sie schweigend weiter, und nach ein paar Sekunden konnte sie auch hören, dass Lion ihr folgte. Eine geraume Weile tappten sie durch die Dunkelheit, dann sagte Lion plötzlich: »Tut mir leid.«
    »Was? Dass du mir auf die Nerven gegangen bist?« Am liebsten hätte sie sich auf die Zunge gebissen, als ihr diese Worte entschlüpften. Wie sie Lion kannte, würde er sie als willkommenen Anlass nehmen, um ihr einen weiteren halbstündigen Vortrag zu halten.
    Stattdessen sagte er: »Dass ich nicht schnell genug war.«
    »Nicht schnell genug?« Um ein Haar wäre sie erneut stehen geblieben, um sich zu ihm herumzudrehen, erinnerte sich aber gerade noch rechtzeitig, wie das letzte Mal geendet hatte. »Wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre ich jetzt tot. Schon vergessen?«
    Sie konnte Lions Kopfschütteln regelrecht spüren. »Ich hätte dich rausholen müssen«, beharrte er, »nicht tiefer in dieses Rattenloch hineinzerren.«
    Da war was dran, dachte Pia, aber zugleich musste er doch genauso gut wie sie wissen, dass er gar keine andere Wahl gehabt hatte. Hätte er versucht, sie aus dem zusammenbrechenden Tunnel heraus und zurück in die große Höhle zu zerren, dann wären sie beide erschlagen worden, so einfach war das.
    »Du bist wirklich nicht mehr der Jesus von früher, weißt du das?«, fragte sie.
    Lion schnaubte. »Ja. Dem wäre das nicht passiert.«
    »Vor allem hätte er sich nicht stundenlang das Hirn zermartert, um sich die Schuld für etwas zu geben, wofür er wirklich nichts kann«, gab sie spöttisch zurück. »Ohne dich wäre ich jetzt tot, kapier das endlich.«
    »Und mit mir verhungerst du vielleicht hier unten«, sagte Lion.
    Pia seufzte. »Zu schade, dass du die Fackel nicht anzünden kannst.«
    »Weil du dann auch noch mein schuldbewusstes Gesicht sehen könntest?«
    »Weil du dir dann auch noch genüsslich Asche aufs Haupt streuen könntest«, antwortete Pia.
    »Aber Tatsache ist –«
    »Ja, dass du schuld bist«, unterbrach ihn Pia. »Wenn es dich glücklich macht, dann gebe ich dir die Schuld am Aussterben der Dinosaurier, an der letzten Eiszeit und der Wirtschaftskrise. Zufrieden?«
    Lion sagte gar nichts mehr.
    »Aber das alles ist nicht besonders konstruktiv, weißt du?«, fuhr sie fort. Weit, sehr weit, vor ihnen hing ein grauer Schimmer in der Luft und kennzeichnete einen weiteren Lichtschacht. Ihre Schritte wurden ganz ohne ihr Zutun schneller. »Wir kommen hier schon raus, keine Angst. Wahrscheinlich hat Alica recht und es gibt noch ein halbes Dutzend anderer Ausgänge. Wir müssen sie nur finden.«
    »Ach so«, maulte Lion. »Bei geschätzten zehntausend Kilometern Tunnel ist das ja auch gar kein Problem.«
    Pia verdrehte lautlos die Augen. Was hatte sie eigentlich erwartet? »Mach dir keine Sorgen«, seufzte sie. »Wir werden schon nicht verhungern.«
    »Weil verdursten schneller geht?«
    Pia fragte sich, ob er das eigentlich nur tat, um sie zu ärgern. Wenn ja, hatte er Erfolg. »Lion, das reicht jetzt allmählich, und –«
    Lion packte sie an der Schulter und riss sie so derb zurück, dass sie um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte. Noch während sie mit wild rudernden Armen um ihre Balance kämpfte, stürmte er auch schon an ihr vorbei und wurde zu einem rasenden Schatten, die erloschene Fackel wie einen Knüppel in der erhobenen Hand.
    Pia fand mit einiger Mühe ihr Gleichgewicht wieder (und indem sie sich an der Wand abstützte, die mit unsichtbaren, aber rasiermesserscharfen Zähnen in ihre Handflächen biss), sah ihm mit klopfendem Herzen nach und folgte ihm erst, als er ineiniger Entfernung stehen blieb, ohne dass irgendetwas Dramatisches zu geschehen schien. Dennoch spürte sie, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen. Lion hatte sich auf ein Knie sinken lassen und hielt die Fackel immer noch wie eine Waffe umklammert, auch wenn es nichts gab,

Weitere Kostenlose Bücher