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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wogegen er sich verteidigen musste. Vor ihm lagen drei reglose Gestalten in schwarzem Eisen. Zwei der Elbenkrieger hielten noch ihre Schwerter in der Hand, mit denen sie vergeblich versucht hatten, um ihr Leben zu kämpfen, der dritte hatte wohl nicht einmal mehr die Zeit gefunden, seine Waffe zu ziehen. Er lag auf dem Rücken, und hätte in seinen weit aufgerissenen Augen nicht ein Ausdruck von unsäglichem Entsetzen gestanden, dann hätte man meinen können, dass er nur schliefe. Vielleicht störte der winzige Pfeil, der aus seinem Hals ragte, den Eindruck ein bisschen.
    »Sieht so aus, als hätte uns Schild Eirann die eine oder andere Kleinigkeit verschwiegen«, sagte Lion. Fast behutsam legte er die Fackel auf den Boden, ließ sich auch auf das zweite Knie sinken und drehte die beiden anderen Toten auf den Rücken. Einer war von gleich drei der kleinen Blasrohrgeschosse in Gesicht und Hals getroffen worden, dem anderen hatte sich ein winziger Pfeil so tief ins Auge gebohrt, dass nur noch das mit einem Federbusch stabilisierte Ende daraus hervorsah.
    »Da hinten liegen noch mehr.« Lion deutete in die Dunkelheit, die den Tunnel vor ihnen ausfüllte, und als Pia seinem Blick folgte, gewahrte sie eine unbestimmte Anzahl weiterer formloser Schatten. Hier unten musste eine regelrechte Schlacht getobt haben. Die Vorstellung, ihren Weg fortzusetzen und in der Dunkelheit über einen Teppich aus Toten zu laufen, jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken.
    »Sie sehen nicht gut aus«, sagte Lion.
    Pia sah ihn ein bisschen verwirrt an. »Sie sehen ziemlich tot aus«, verbesserte sie ihn, aber Lion schüttelte nur den Kopf. Ohne die geringste sichtbare Anstrengung zog er einen der Toten zusich heran, sodass sein Gesicht im Zentrum des blassen Tümpels aus Licht lag, der durch einen Riss in der Decke hereinsickerte.
    »Das meine ich nicht«, sagte er. »Alicas spitzohrige Freunde sehen ja nie aus wie das blühende Leben, aber der hier kommt mir ganz so vor, als hätte er vorher schon alle Mühe gehabt, nicht aus den Latschen zu kippen.«
    Pia zwang sich genauer hinzusehen und musste zugeben, dass er recht hatte. Das Gesicht des Toten zeigte nicht die vornehme Blässe des Elbenvolkes, sondern wirkte ausgezehrt und müde, wie von einer schweren Krankheit gezeichnet. Dunkle Tränensäcke hatten sich unter seinen Augen gebildet, die Wangen waren eingefallen und grau, und um seinen Mund lag ein verkniffener Zug, der ganz eindeutig nicht nur von seinem Todeskampf herrührte ... den es im Übrigen wahrscheinlich gar nicht gegeben hatte, denn sie wusste, wie schnell das Gift wirkte. Wer von einem der tückischen Geschosse getroffen wurde, der war buchstäblich tot, bevor der Schmerz auch nur sein Gehirn erreichen konnte.
    »Er war krank«, sagte sie.
    »Und die anderen auch.« Lion deutete auf die beiden anderen Toten, deren Gesichter dasselbe kränkliche Aussehen zeigten. »Das Silber.« Er schwieg einen Moment und wandte sich dann mit schon fast pantomimisch übertriebener Gestik an sie. »Bei der Gelegenheit: Wie fühlst du dich?«
    »Nicht besonders«, gestand Pia. Alles andere hätte er ihr sowieso nicht geglaubt. Lion sah noch ein bisschen besorgter aus, und Pia beeilte sich – genauso wahrheitsgemäß – hinzuzufügen: »Aber auch noch nicht allzu schlecht.«
    Das wiederum glaubte ihr Lion ganz offensichtlich nicht. Sein Stirnrunzeln wurde noch tiefer, und er setzte dazu an, etwas zu sagen, von dem sie ziemlich sicher war, dass es ihr nicht gefallen würde, beließ es aber dann bei einem Schulterzucken und einem beredten Blick. Ohne sein Tun zu erklären, begann er den Toten zu durchsuchen, schien aber nicht fündig zu werden, denn er ließnach wenigen Augenblicken wieder von ihm ab, um sich dem zweiten Leichnam zuzuwenden.
    »Bist du jetzt unter die Leichenfledderer gegangen?«, fragte sie.
    Lion reagierte gar nicht darauf, sondern wühlte emsig weiter im Beutel des Toten herum und förderte schließlich zwei unscheinbare graue Steine zutage. Mit nur einer Hand und einem Geschick, das Pia erstaunt die Augen aufreißen ließ, schlug er die Steine aneinander, und ein Schauer winziger gelber Funken stob auf und setzte das angekohlte Ende der Fackel in Brand, die er mit der anderen Hand in die Höhe hielt.
    »Wie … hast du das gemacht?«, murmelte Pia ungläubig.
    »Muss wohl mit irgendeinem Öl oder so was getränkt sein«, antwortete er und streckte den Arm weiter aus, als die Fackel mit einem dumpfen Zischen

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