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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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du so abfällig unsere Prophezeiungen nennst. So etwas wie Vergangenheit oder Zukunft gibt es nicht, und wenn man es genau nimmt, nicht einmal das Jetzt. Die Dinge sind schon geschehen und sie werden wieder geschehen, ganz egal wie sehr wir uns auch bemühen, sie zu ändern.« Ein sonderbar trauriges Lächeln huschteüber den Teil ihres Gesichtes, der unter der grünen Halbmaske aus Federn sichtbar war. »Bitte verzeih meine groben Worte von gerade, mein Kind. Es war närrisch von mir, zu glauben, den Verlauf des Schicksals ändern zu können.«
    »Vielleicht kannst du das ja«, sagte Pia.
    »Ja, und als ich so jung war wie du, da habe ich genauso gedacht«, antwortete Ixchel. »Deine Worte könnten von mir stammen, wäre ich ungefähr tausend Jahre jünger ... aber leider bin ich das nicht, und so weiß ich, dass es Dinge gibt, die wir nicht aufhalten können, sosehr wir es uns auch manchmal wünschen.« Ein flüchtiger Ausdruck von Trauer erschien in ihren Augen und verschwand wieder, ehe er vollends Gestalt annehmen konnte.
    Pia musste sich beherrschen, um ihr nicht zu sagen, was sie von diesem esoterischen Unsinn hielt, aber irgendwie gelang es ihr. »Ich will dich nicht beleidigen, Ixchel«, antwortete sie, »und ganz bestimmt nicht das, woran du glaubst, aber da, wo ich herkomme, hat man eine ... etwas andere Auffassung von solchen Dingen.«
    »Ich weiß«, sagte Ixchel.
    »Es ist niemals zu spät, Ixchel«, fuhr sie fort, so ruhig, wie sie gerade noch konnte, und sorgsam darauf bedacht, nicht in jenen ganz besonderen Ton zu verfallen, in dem man mit kleinen Kindern – oder sehr alten Leuten – zu sprechen pflegt. Ixchels Gesicht blieb unbewegt, aber die Augen hinter ihrer Federmaske funkelten, als läse sie ihre Gedanken und amüsierte sich insgeheim darüber. »Wir glauben, dass es durchaus in unserer Macht steht, unser Schicksal selbst in die Hand zunehmen. Wenn das nicht so wäre, wozu hätte Kronn uns dann einen freien Willen gegeben?«
    »Ein sehr kluger Gedanke«, antwortete Ixchel. »Und richtig. Was wir tun oder auch nicht, das liegt ganz allein in unserer Entscheidung.«
    »Dann lass uns –«
    »Nur in diesem speziellen Fall liegen die Dinge ein weniganders, fürchte ich«, fuhr Ixchel fort. »Ich kann es dir jetzt nicht erklären, aber es ist so.«
    »Warum?«
    »Weil die Zeit nicht dazu reicht und du mir nicht glauben würdest«, antwortete die Hohepriesterin. »Ich hätte es auch nicht gekonnt.«
    Allmählich fiel es Pia wirklich schwer, ihre wahren Gefühle im Zaum zu halten. »Aber begreifst du es denn nicht?« Sie schrie fast. »Deine Leute sind mit einem Heer auf dem Weg hierher und Schwert Torman ebenfalls!«
    »Ich weiß«, antwortete Ixchel. »Und ihre Heere werden am Fuße dieses Berges in einer Schlacht aufeinandertreffen, in der sich das Schicksal unserer beiden Völker entscheidet. Eines von ihnen wird untergehen, das andere wird leben.«
    »Und Tausende werden ihr Leben verlieren!«, sagte Pia bitter. »Ist dir das wirklich gleichgültig?«
    Ixchel schwieg eine geraume Weile, und etwas ... geschah mit ihrem Gesicht, was Pia nicht wirklich deuten konnte. Im allerersten Moment glaubte sie, sie hätte sie erzürnt, aber dann wurde ihr klar, dass da noch mehr war.
    »Habe ich … dich verletzt?«, fragte sie zögernd.
    »Ja«, antwortete Ixchel, seltsamerweise aber mit einem Lächeln und einer Stimme, die frei von jedem Vorwurf war. »Aber es ist nicht deine Schuld. Ich hatte vergessen, wie weh diese Worte tun.«
    Das verstand sie noch sehr viel weniger als das allermeiste von dem, was sie bisher gesagt hatte, aber sie wollte auch darüber nicht nachdenken. Wahrscheinlich hatte es diese verrückte alte Frau sowieso nur darauf angelegt, sie zu verwirren.
    »Ixchel, ich flehe dich an!«, sagte sie beschwörend. »Lass es mich wenigstens versuchen! Ich kenne Eirann! Er ist ein vernünftiger Mann, ganz egal, was du auch von ihm hällst. Dasselbe gilt für Landras und sogar für Schwert Torman! Wenn es eine Möglichkeit gibt, dieses Blutvergießen noch zu verhindern, dann werden sie sie ergreifen, glaub mir!«
    »Haben sie gesagt, welchen Schatz dieser Berg hütet, mein Kind?«, fragte Ixchel.
    »Nein. Eirann behauptet, er wisse es nicht.«
    »Und vielleicht ist das sogar die Wahrheit«, sagte Ixchel traurig. »Aber es ändert nichts.«
    »Dann gib ihnen doch diesen verdammten Schatz!«, mischte sich Lion ein. »Oder sind dir ein bisschen Gold und ein paar Edelsteine wichtiger als das Leben

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