Elfenzorn
hereingestürmt kamen. In der nächsten Sekunde ergriff Pia ihn am Arm und zog ihn zwei oder drei Schritte vom Wagen weg und zugleich mit sich in die Schatten hinein.
»Ganz egal, was jetzt passiert«, zischte sie. »Sag kein Wort! Und lass mich in Kronns Namen nicht los!«
Genau genommen war sie es, die sein Handgelenk mit aller Kraft umklammert hielt, aber Jesus war viel zu verwirrt, um diesen kleinen Unterschied überhaupt zu bemerken. Er starrte einfach nur die Polizisten an, die der Reihe nach hereingestürztkamen und nahezu in der gleichen Reihenfolge und mit identisch verblüfftem Gesichtsausdruck stehen blieben, als sie den verlassenen Wagen sahen.
»Was zum …?«, begann Jesus, und Pia brachte ihn mit einer fast entsetzten Geste zum Verstummen.
»Still!«, zischte sie. »Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber sie können uns nicht sehen. Sei einfach still!«
Jesus starrte sie nur noch fassungsloser an, aber wenigstens war er ruhig; und wie es aussah, waren auch ihre Worte nicht gehört worden. Der Motor des Bentley lief immer noch, und obwohl der Wagen längst zum Stillstand gekommen war, hielt das Scheppern und Klirren und Bersten noch immer an, als hätten sie eine Welle der Zerstörung ausgelöst, die nicht nur ein Eigenleben entwickelte, sondern sogar noch zunahm. Pia versuchte zu erkennen, welche Art von Geschäft sie gerade demoliert hatten, aber es gelang ihr nicht. Das Licht im hinteren Drittel des Ladens war ausgefallen, sodass dieser Teil des Raumes in fast vollkommene Dunkelheit getaucht war, und die Hälfte der Glühbirnen über ihren Köpfen flackerte um die Wette. Das Ergebnis war ein Durcheinander aus Licht und willkürlich hin und her springenden Schatten, in dem die Polizisten wahrscheinlich selbst dann Mühe gehabt hätten, sie zu sehen, wenn sie sich nicht in einen magischen Mantel gehüllt hätte.
Dennoch mussten sie von hier verschwinden, und das so schnell wie möglich. Die beiden Polizisten, die als Erste hereingekommen waren, standen immer noch wie gelähmt da und starrten aus aufgerissenen Augen ins Nichts – was Pia ihnen nicht verdenken konnte. Schließlich hatten Jesus und sie sich buchstäblich vor ihren Augen in Luft aufgelöst –, aber zwei oder drei weitere näherten sich dem Wagen behutsam und mit gezogenen Waffen. Binnen weniger Augenblicke musste sich ihre Zahl verdoppeln, wenn nicht verdreifachen. Unsichtbar oder nicht, hier musste es gleich von Polizisten nur so wimmeln, und dann war es nur noch eine Frage von Sekunden, bis man sie entdeckte.
Sie deutete mit einer entsprechenden Kopfbewegung nach links, in Richtung des dunkel daliegenden Teils des Raumes. Gleich zwei Polizisten waren schon auf dem Weg dorthin und ließen die dünnen Strahlen ihrer Taschenlampen wie Laserschwerter hin und her zucken, mit denen sie die Dunkelheit zerschneiden wollten. Auch dort war der Boden mit tausenden Glas-, und Plastiksplittern übersät, auf denen auch unsichtbare Füße ein verräterisches Geräusch verursachen mussten.
Doch es gab auch eine Tür, die tiefer in das Gebäude hineinführte. Wahrscheinlich war sie verschlossen, aber dort hinten waren sie immer noch sicherer als hier. Mittlerweile war die Zahl der Polizisten hier drinnen auf ein Dutzend angewachsen, und in ein paar Minuten würden es zwei sein. Obwohl die Polizeibeamten wild durcheinanderschnatterten und -riefen und sich auch sonst keine besondere Mühe gaben, leise zu sein, zogen sie sich unendlich vorsichtig und fast mit angehaltenem Atem weiter in die Schatten zurück.
Etwas stimmte nicht. Sie konnte spüren, dass Jesus’ Kräfte schon wieder nachließen, und das jetzt so schnell, als saugte etwas die Energie aus seinem Körper, und auch ihre eigene Kraft schwand zusehends. Bisher hatte sie nie darüber nachdenken müssen, wie es ihr gelang, in die Schatten zu flüchten und sich mit ihrer Hilfe vor neugierigen Blicken zu verbergen, sondern es einfach getan . Jetzt war es, als versuchte sie mit steif gefrorenen Fingern einen löchrigen Mantel festzuhalten, an dem der Wind zerrte und ihn mehr und mehr in Stücke riss. Sie konnte fast körperlich spüren, wie ihr Schutz zerfiel. Noch wenige Momente und sie würden für alle Augen sichtbar sein. Statt das zu tun, was sie eigentlich vorgehabt hatte, nämlich ein im wahrsten Sinne des Wortes schattiges Plätzen für Jesus und sich zu suchen und sich etwas zurechtzulegen, von dem sie wenigstens behaupten konnte, es wäre so etwas wie ein Plan, setzte sie
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