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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Pia warf ihm einen dankbaren Blick zu, sah rasch nach rechts und links und bedeutete ihm dann mit einer Kopfbewegung, Jesus zurück zu einem der Streifenwagen zu führen, damit er sich gegen den Kofferraumdeckel lehnen konnte.
    »Vielen Dank«, sagte sie. »Das war sehr nett von Ihnen.«
    »Was … was war das?«, murmelte der Grauhaarige. »Wie haben Sie das gemacht? Sie sind …«
    Ein Polizist trat auf sie zu und wedelte aufgeregt mit beiden Armen. »Verschwindet von hier!«, sagte er gebieterisch. »Ihr habt hier nichts zu suchen und …« Er brach ab, maß Jesus’ kreidebleiches Gesicht mit einem misstrauischen Blick und wandte sich dann beinahe noch misstrauischer an Pia. »Was ist mit Ihrem Freund? Ist er krank?«
    Um ein Haar hätte sie genickt, besann sich dann aber im letzten Moment eines Besseren. Nicht, dass sie am Ende noch auf den einzigen guten Samariter der Polizei von Rio gestoßen war, der darauf bestand, einen Krankenwagen für Jesus zu rufen.
    Nein«, antwortete sie, während sie ihm die Hand auf den Unterarm legte und unendlich behutsam versuchte, ihm etwas von ihrer Kraft zu spenden. Es war nur sehr wenig; gerade genug, dass er sich auf den Beinen halten konnte und vielleicht ein paar Schritte laufen, aber mehr ganz bestimmt nicht. Trotzdem wurde ihr leicht schwindelig, und ihr eigenes Bedürfnis, wenigstens für eine Sekunde die Augen zu schließen und sich auszuruhen, drohte sie fast zu übermannen.
    »Und was ist dann mit ihm los?«, wollte der Polizist wissen.Seine Hand lag – zufällig? – auf dem Griff der Pistole an seinem Gürtel.
    »Er hat ein bisschen zu viel getrunken, fürchte ich.«
    Genau wie du, fügte der Blick des Polizisten hinzu. Pia konnte es ihm nicht einmal verdenken. Sie war so schwach, dass sie sogar selbst hören konnte, wie schleppend ihre Stimme plötzlich klang. Eigentlich wollte sie nur noch schlafen. Eine Sekunde lang dachte sie ganz ernsthaft darüber nach, ihm einfach die Wahrheit zu sagen. Sie würde sich schneller im Gefängnis wiederfinden, als sie ihren Namen buchstabieren konnte, aber welche Rolle spielte das schon? Dort war sie wenigstens (halbwegs) sicher vor Peraltas Killern, und Jesus musste dringend in ein Krankenhaus. Er würde sterben, wenn er nicht bald zu einem Arzt kam. Ihre Kraft reichte nicht mehr, um die schwarze Flamme noch einmal zu ersticken. Statt ihn zu retten, hatte sie ihn wahrscheinlich umgebracht.
    Vielleicht hätte sie sich tatsächlich zu erkennen gegeben, wäre nicht gerade dann auch noch die letzte Spur von Freundlichkeit in den Augen des Polizisten erloschen.
    »Verschwindet bloß von hier!«, sagte er. »Und zwar ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf ! Hier findet ein Polizeieinsatz statt und keine Volksbelustigung!«
    Pia tat so, als würde sie zu einer zornigen Antwort ansetzen, hob dann die Schultern und wandte sich direkt an Jesus. »Komm, gehen wir nach Hause. Er hat recht. Nicht, dass wir am Ende noch Ärger kriegen.«
    »Ihr steht ganz kurz davor«, versprach der Polizist.
    Wortlos und übertrieben gestikulierend bedeutete sie Jesus, ihr zu folgen. Den Mann, den sie gerade so erschreckt hatten, hatten die Uniform und das freundliche Wesen des Polizisten in die Flucht geschlagen, wie Pia mit einem Gefühl spürbarer Erleichterung registrierte.
    Nicht so schwer auf ihre Schulter gestützt, wie es den Anschein hatte, stieß sich Jesus von der Kofferraumhaube des Wagens ab, und sie schlurften los.
    Und dann beging sie einen wirklich großen Fehler.
    Das Gefühl, beobachtet zu werden, hatte sie die ganze Zeit über nicht losgelassen, und gerade als sie zum zweiten Mal in der immer größer werdenden Zuschauermenge untertauchten, wandte Pia noch einmal den Kopf und sah zurück. Der Anblick des zerstörten Ladenlokals war noch chaotischer geworden. Dutzende von Polizeibeamten liefen scheinbar ziellos durch den verwüsteten Laden, untersuchten den Wagen, leuchteten hinter umgestürzte Theken oder stocherten in Glasscherben herum, als erwarteten sie tatsächlich, ihre beiden auf so geheimnisvolle Weise verschwundenen Opfer zu finden. Alle, bis auf einen.
    Der grauhaarige Polizist, den sie gerade angerempelt hatte, stand noch immer an derselben Stelle und sah sie an. Diesmal trafen sich ihre Blicke.
    Pia konnte regelrecht sehen, wie hinter seiner Stirn etwas einrastete. Aus dem leicht hilflosen Ausdruck in seinen Augen wurde Verblüffung und dann etwas anderes, und Pia drehte rasch den Kopf und bemühte sich, etwas

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