Elfenzorn
stellte aufmerksam die Ohren auf, während er in dieselbe Richtung blickte wie sie, sein Schweif peitschte nervös.
Sosehr sie sich auch anstrengte, sah sie jedoch nichts irgendwie Außergewöhnliches oder gar Gefährliches. Ringsum erstreckte sich ein Meer aus fast brusthoch wachsendem Gras, in dem eine Unmenge bunter Wildblumen wuchsen (die meisten davon waren ihr vollkommen unbekannt), und die einzige Bewegung, die sie sah, verursachte der warme Wind, der durch das grüne Meer strich.
Und mehr war es auch nie gewesen, wies sie sich scharf in Gedanken zurecht. Sie hatte weiß Gott schon genug Feinde indiesem besonders finsteren Winkel des Universums, in den es sie verschlagen hatte, auch ohne dass sie ihrer Fantasie gestattete, sich selbst nach Kräften fertigzumachen!
Mehr als nur ein bisschen zornig auf sich selbst, steckte sie das Messer weg, drehte sich wieder herum, und hinter ihr sagte eine vage vertraut klingende Stimme: »Gaylen?«
Pia erstarrte für eine halbe Sekunde einfach und fuhr dann umso schneller herum. Ihr Herz begann zu jagen, und ihre Hand glitt schon wieder zum Dolch, führte die Bewegung diesmal aber nicht zu Ende. Stattdessen zwang sie sich zu einem nervösen Lächeln. Sie war nicht einmal mehr sicher, die Stimme wirklich gehört zu haben.
Wenigstens so lange nicht, bis sie erneut erklang und zugleich ein heftiges Rascheln und Wogen im hohen Gras links von ihr zu hören war.
»Prinzessin Gaylen! Na wenn ich das nicht einen glücklichen Zufall nenne! Da geht man nichts ahnend ein bisschen im Wald spazieren, und wer läuft einem über den Weg, bei Kronn? Ausgerechnet die Person, nach der die ganze Welt händeringend sucht und vielleicht nicht einmal nur diese eine!«
Das Gras bewegte sich heftiger, und Pia meinte etwas Graues und Struppiges zu erkennen, das sich rasch auf sie zubewegte. Diese Stimme ... sie kannte sie!
Dann teilte sich das Gras. Flammenhuf schnaubte überrascht, und Pia riss noch überraschter die Augen auf und starrte in ein runzeliges Gesicht mit einer Haut, die aus uraltem gegerbtem Leder zu bestehen schien, tückischen kleinen Augen und den schlechtesten Zähnen gleich zweier Welten, deren Hässlichkeit allerhöchstens noch von der rot geäderten Säufernase darüber übertroffen wurde.
»Gamma?«, murmelte sie. »Gamma Graukeil?«
»Und du erinnerst dich sogar noch an mich, Prinzesschen!«, feixte der Zwerg, während er die letzten Grashalme – die ihm an dieser Stelle nur ungefähr bis zum Kinn reichten – zur Seite bogund breit zu ihr heraufgrinste. »Na, ich muss ja mächtigen Eindruck auf dich gemacht haben, Prinzesschen-Schätzchen. Aber sag mal, was hast du da eigentlich Komisches –?«
Was immer er fragen wollte, Pia hatte ihre Überraschung endlich überwunden, und der Rest seiner Worte ging in dem trockenen Knacken unter, mit dem ihre Faust die Nase des Zwerges traf und brach. Gamma Graukeil ächzte, stolperte einen halben Schritt zurück und plumpste dann vollends auf sein dürres Hinterteil, als Pia die Hände zu einer einzigen Faust verschränkte und ihm einen gewaltigen Schwinger verpasste. Seine Augen wurden groß und füllten sich mit Tränen, aber er sah trotz allem einfach nur verstört aus.
»Aber ... aber Prinzesschen«, stammelte er. »Ich wollte doch nur –«
Pia schubste ihn um, hob den Fuß und tat so, als würde sie ihn in den Boden rammen, hielt dann aber im letzten Moment inne, sodass ihre Stiefelsohle kaum einen Fingerbreit über seiner bereits im Anschwellen begriffenen Nase zur Ruhe kam.
»Ich weiß ja nicht, wo du so plötzlich hergekommen bist, Knirps«, sagte sie. »Aber wenn ich dir einen guten Rat geben darf, dann hältst du jetzt besser die Klappe. Und komm bloß nicht auf die Idee, auch nur zu blinzeln, kapiert? Ich erinnere mich noch gut genug an unsere letzte Begegnung und –«
»Ich auch«, unterbrach sie Gamma Graukeil mit dünner, weinerlicher Stimme, »aber ich wollte doch nur sagen –«
Nicht, dass Pia es tatsächlich gewollt hätte. Sie verlor auf einem Bein balancierend einfach das Gleichgewicht, und es gab nur einen einzigen Punkt in erreichbarer Nähe, auf dem sie sich mit dem anderen Fuß abstützen konnte. Der Zwerg verstummte jedenfalls mit einem hörbaren Ächzen, und Pia fuhr mit grimmig entschlossener Miene und noch grimmigerem Gesichtsausdruck fort: »Hör zu, Knirps! Ich habe ein paar verdammt miese Tage hinter mir, und ich habe nicht vergessen, wie du dich das letzte Mal benommen hast. Aber wir
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