Elfriede im Salon (German Edition)
Ernüchterung nach der kurz aufkommenden Euphorie während und nach dem Essen? Elfriede hatte die Lust auf weiteres Tanzen verloren. Sie zog sich aufs Sofa zurück, griff nach einer herumliegenden Zeitschrift und schlug die Beine übereinander. Selbstverständlich war sie wegen der Spannungen im Salon nicht in der Lage zu lesen, tat aber einen Moment so, um dann entnervt die Zeitschrift in die Ecke zu schmeißen. Vermutlich war es das Beste, wenn sie und die Nutte den Salon verließen, dachte sie. Dann hätten die Männer Chance und Gelegenheit über ihre Erfahrungen und Probleme sprechen, die der Abend mit sich gebracht hatte.
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Die kleine Aktion der Elfriede erregte Aufmerksamkeit. “Dass es für uns schwierig ist, wissen sie doch Elfriede.” Obgleich Robert Unmuth sich bei Elfriede nicht zu rechtfertigen brauchte, wandte er sich an Elfriede. “Vielleicht können sie aber nicht wissen, wie schwierig es für uns ist.” Elfriede wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Sie hatte alles Denkbare gemacht und angeboten, um den Abend für die Männer zu einem Erfolg zu machen. Die Männer standen doch nicht am Anfang des Abends; jeder von ihnen hatte schon Geschlechtsverkehr mit der Nutte, wenn gleich die Philosophie auf der Strecke geblieben war. “Unser Experiment erleichtert es nicht, über Sex und Erotik zu sprechen. Dieser Abend ist vor allem ein Tabubruch und es ließe sich vielleicht über diesen sprechen.” Auch Professor Hügel wandte sich mit seinen Worten an Elfriede, ohne eine Antwort zu erwarten und so als ob sie das Medium, der Katalysator sei, um im Salon ein Gespräch zu beginnen. “Wir haben ein Tabu gebrochen, aber das macht es nicht leichter, dieses Tabu weiterhin zu brechen.” Der dies sagte, hatte vielleicht in seinem Leben einen einzigen, nachhaltigen Tabubruch begangen, nämlich an der gängigen Urknalltheorie seiner Kollegen zu zweifeln. Dies hatte zur Konsequenz, dass er von seinen Kollegen als Eigenbrötler belächelt wurde und nicht ernst genommen wurde, aber letztlich war dies eine intellektuelle Auseinandersetzung, die mit den Waffen des Geistes ausgetragen wurde. All dies, was an diesem Abend im Salon geschah, war ein Schlag unter die Gürtellinie, schockierend, mit der Kraft, das Gefühlsleben der Männer ins Chaos zu stürzen. Wie sollte da ein klarer Gedanke entstehen? “Es ist wie ein dialektischer Prozess in der Geschichte. Die Dialektik des Abends können wir nicht steuern.” Auch Dr. Schwarz nutzte das Medium Elfriede. Vielleicht konnten sich die Männer so etwas wie Mut anreden, dachte Elfriede ein wenig hoffend. Eventuell führte die Dialektik des Abends dazu, dass die Philosophen einen Schritt vorwärtskamen, um dann wieder zwei Schritte zurückzufallen. Lulu verstand nicht alles, was gesagt wurde und nippte hin und wieder an ihrer Champagnerschale. Sie hatte noch nie so eine verrückte Kundschaft gehabt. Gab es etwas Einfacheres, als zu ficken? Und wenn dies so einfach war, sollte es doch einfach sein, darüber zu reden. Soviel Lulu verstanden hatte, war es das, was die Männer wollten. Aber statt über sie, die geile Lulu, zu reden, sprach man von Tabubruch und Dialektik, was immer das auch sein mochte. Es war normal, dass einige Freier mit ihren gekauften Erlebnissen prahlten. Es war schon etwas ungewöhnlich, dass die alten Säcke hier gleich am Abend damit beginnen wollten.
“ Wenn Gefühle übermächtig sind, lässt sich schlecht nachdenken, folglich auch schlecht philosophieren. Vielleicht gelingt es uns an einem späteren Abend, das Gefühlschaos des heutigen Abends zu ordnen und zu analysieren.” Dr. Schwarz versuchte offensichtlich seine intellektuelle Kompetenz aufzurichten, verschob aber die intellektuelle Arbeit auf eine unbestimmte Zukunft. “Es erscheint mir weniger dialektisch als chaotisch zu sein.” Professor Hügel verstand sich auf Chaostheorie und wusste nur zu gut, dass chaotische Prozesse sich einer Vorhersage entzogen. Es kam aber vor, dass das Chaos geordnete Strukturen erzeugte. “Ist es denn so schwierig mit Worten zu beschreiben, was sie beim Sex empfinden? Dies müssen sie tun und können anschließend darüber philosophieren.” “Wir sind keine Pornographen, Elfriede”, antwortete Robert Unmuth. “Sex ist in der Regel mit starken Gefühlen verbunden, die eine rationale
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