Elfriede im Salon (German Edition)
Hungertod bedroht waren. Es konnte unmöglich ein allmächtiges Wesen geben, dass sich die Welt, so wie sie war, gedacht haben sollte.
Gott war ein ständiger Gast im philosophischen Salon, wenn auch die Diskussionen um ihn nicht sonderlich kontrovers verliefen. Robert Unmuth hatte in seinen frühen Jahren an Gott geglaubt, argumentierte nun aber im Prinzip wie Elfriede, Dr. Schwarz wurde hin und wieder von populärwissenschaftlichen Büchern und Artikeln über Kosmologie verwirrt, die eine Verbindung zwischen Physik und Religion schufen und den Schluss einer göttlichen Schöpfung nahelegten, ließ sich das aber von Professor Hügel zurechtrücken.
Sollte die Schöpfung die Vagina für erigierte Schwänze vorgesehen haben, so konnte sich eine Nutte gewiss sein, diesen Sinn voll und ganz auszuschöpfen. Eine Nutte arbeitet mit ihrem ganzen Körper in solch perfekter Weise, dass Mitglieder des Proletariats nur davon träumen können. Diese Arbeit hat natürlich ihren Preis.
Dr. Schwarz arbeitete emsig an seinem Ziel, zu einem Orgasmus zu kommen. Er war dabei alles andere als ein lebloses Etwas, dass nur noch zucken konnte, kein Epileptiker und auch kein Zombie. Somit war bewiesen, dass ein und dieselbe Person Sex in ganz unterschiedlicher Weise erleben konnte. Diese Erkenntnis war nicht neu, war doch seit Längerem bekannt, dass Sex zum Orgasmus führen konnte oder auch nicht. Das Treiben der beiden währte nun schon über fünf Minuten; eine für eine Nutte unerträglich lange Arbeitszeit. Elfriede hatte zu tanzen aufgehört und sich an den Tisch gesetzt und schaute zusammen mit Professor Hügel und Robert Unmuth zu. “Der Doktor macht das großartig”, plapperte sie. “Ja, er ist großartig, aber ich finde, er neigt zu Übertreibungen”, antwortete Robert Unmuth. Lulu überlegte, die Stellung zu wechseln, um schneller zu ihrem Ziel zu kommen, aber die Beharrlichkeit, mit der Dr. Schwarz in sie hineinstieß, ließ keinen Stellungswechsel zu. Vielleicht kam der Doktor schneller, wenn sie ihm ihre Titten zeigte. Es blieb aber dabei, dass sie dem Doktor ihren Arsch zuwandte. Die Hände des Doktors umklammerten ihre Hüfte, ansonsten konzentrierte er sich auf seine Stöße. Hin und wieder ächzte er, und dieses Ächzen konnte man nur bei sehr gutem Willen als philosophische Äußerung interpretieren. Philosophen entwickeln ihre eigene Sprache, die letztendlich Voraussetzung ist, die anstehenden Probleme zu behandeln, zu artikulieren und bewusst zu machen. Begriffe müssen sauber definiert sein, damit Ideen folgerichtig entwickelt werden können. Das Fachvokabular eines Philosophen kann sehr umfangreich sein, aber wer hätte gedacht, dass Ächzen und leises Stöhnen einen Beitrag zur philosophischen Artikulation brachten? Ächzen und Stöhnen gehörten zu einem Fachvokabular, das einer besonderen Deutung bedurfte. Wie es den Anschein hatte, wollte sich Dr. Schwarz noch eine ganze Weile dieses Ausdrucks bedienen, obgleich er hätte wissen sollen, dass er damit im philosophischen Salon sprachliches Neuland betrat und er nicht so ohne weitere verstanden wurde.
“Komm Alterchen, mach’s mir jetzt!” Lulu leistete Höchstarbeit, wusste aber kein Mittel, den Philosophen zu einem glücklichen Abschluss kommen zu lassen. Es hatte den Anschein, als würde Dr. Schwarz endlos weiterficken können. Vielleicht probte er sich in der Disziplin “ausdauernder Liebhaber”. Bis auf Weiteres beschränkten sich seine philosophischen Kommentare auf Geräusche, die gewöhnlich mit einem Akt verbunden sind, ohne dabei seine Herkunft oder seinen Stand zu vergessen. Mit anderen Worten war die Geräuschkulisse eher dezent, hin und wieder unterbrochen von den Verzweiflungsausrufen einer schuftenden Nutte. “Komm Alterchen, komm jetzt!” Der Akt kam jetzt in die achte Minute und fand ein gebanntes, stilles Publikum, das sich nur hin und wieder murmelnd bemerkbar machte. Mit jeder verstrichenen Minute stieg die Spannung im Salon, die zumindest bewirkte, dass aufkommende Gefühle von Peinlichkeit unterdrückt wurden. Mit etwas mulmigen Gefühlen sah sich Elfriede die Rolle von Lulu einnehmen. Wie würde sie empfinden, stände sie dort, wo Lulu stand? Hätte die Ausdauer von Dr. Schwarz bei ihr zu einer Folge von Orgasmen geführt oder hätte sie ab einem gewissen Punkt nur noch den Wunsch empfunden, der Liebesakt möge bald zu Ende sein, bei Sekunde zu Sekunde, von Stoß zu Stoß wachsenden peinlichen Gefühlen? Mit Sicherheit hätte
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