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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Stimmen der Vögel und horchte in sich hinein. Alle ihre Wörter kehrten zurück, wie eine Welle, die über ausgedörrten Boden schwappt. Es erfüllte sie mit grenzenloser Erleichterung. Doch je klarer sie sah, desto beklommener wurde ihr zumute; und alles schien ihr rätselhaft.

9
Ich war hier
    »Commissario, Entschuldigung, warten Sie einen Moment?«
    »Was ist?«
    »Ich bin gleich wieder da.«
    Contini ließ den Telefonhörer am Kabel baumeln und ging ins Wohnzimmer.
    Francesca war nicht mehr da.
    Er rief sie. Er suchte sie in der Küche und fand nur ihre leere Kaffeetasse, die sie ins Spülbecken gestellt hatte. Er trat auf die Veranda hinaus, ging die Stufen hinunter, hielt nach ihrem Auto Ausschau. Francescas Renault war verschwunden.
    Sie war fort.
    Er hatte sie sitzen lassen, um mit De Marchi zu telefonieren, und sie war gegangen. Wie angewurzelt stand Contini vor seiner Veranda und starrte auf den Parkplatz. Sie war fort. Und sie wollte noch viel weiter fort, nach Amerika, wollte in den USA Englisch lernen. Contini würde nie Englisch lernen, würde nie Amerika sehen.
    Er gehörte zu denen, die zu Hause bleiben.
    Schließlich riss er sich zusammen und stieg wieder zur Veranda hinauf. Er ging ins Haus und durch den Flur zum Telefon, griff nach dem herabhängenden Hörer. »Ich bin wieder da.«
    »Ich war drauf und dran aufzulegen.«
    »Finden Sie nicht, dass Sie meine Hypothese wenigstens mal in Betracht ziehen sollten?«
    »Hm … Sie spielen mit dem Feuer.«
    »In gewisser Weise stimmt sie auch mit dem Bild überein, das ich mir von Savi gemacht habe. Nämlich dass er kein Stratege ist – war –, sondern aus dem Bauch heraus handelt. Weshalb sind der Mord an Sonia und der an Mankell so verschieden? Weil Savi bei diesem ersten Mal tatsächlich impulsiv und brutal gehandelt hat, wie es seine Art war, aber dann kam er zur Besinnung und rannte weg, ohne die Sache zu Ende zu bringen.«
    »Das können Sie nicht beweisen.«
    »Aber es ist plausibel. Bonetti war vorsichtiger als Savi und schlauer. Natalias verwirrter Zustand kam ihm sehr gelegen – natürlich ließ er Savi in dem Glauben, er sei schuld an Sonias Tod. Dann dachte er sich einen Plan aus, um Mankell zu eliminieren … Na gut, davon war ja schon die Rede.«
    »Und was erwarten Sie jetzt von mir?«
    »Überprüfen Sie’s wenigstens.«
    »Wie denn, ohne irgendeinen Anhaltspunkt! Ich kann ja schlecht zu Bonetti gehen und ihm Ihre Geschichte erzählen!«
    »Sie glauben mir nicht, oder?«
    Der Kommissär zögerte kurz. »Ich hätte gern etwas Konkretes. Wie begründen Sie zum Beispiel Ihre Vermutung, dass Savi ermordet wurde?«
    »Sagen wir so: Er ist zum günstigsten Zeitpunkt gestorben. Und wenn man bedenkt, welches unheimliche Gefühl für das richtige Timing der Mörder hat, kommen einem doch Zweifel, oder? Außerdem war Savi der Letzte, der reden und ihm zur Gefahr werden konnte … abgesehen von Natalia, falls ihre Erinnerung zurückkehrt.«
    »Das sind doch alles nur Vermutungen!«, sagte De Marchi.
    »Aber ist es Ihnen denn nicht möglich, Bonetti diskret auszuhorchen?«
    »Ich habe nichts gegen ihn in der Hand! Und Sie ebenfalls nicht.«
    Immerhin, das spürte Contini, hatte seine Theorie Eindruck auf den Kommissär gemacht. Er wollte ihm zwar nicht direkt Recht geben, vielleicht auch am Telefon nicht zu viel sagen, aber eines war klar: Die Spur zu Bonetti ließ sich nicht länger ignorieren.
    »Mit Ihnen wird’s einem wenigstens nicht fad, Contini.«
    »Soll das ein Kompliment sein?«
    »Wir werden der Sache nachgehen, und ich sag Ihnen dann Bescheid.«
    »Geht’s nicht ein bisschen schneller? Ich warne Sie – Natalia ist womöglich in Gefahr! Ich könnte doch zu Bonetti gehen und …«
    »Sie bleiben jetzt brav zu Hause und lassen uns unsere Arbeit machen. Verstanden?«
    »Sicher. Schönen Tag, Commissario.«
    Contini hängte den Hörer ein und stand eine Weile nachdenklich im Flur. Im Haus war es ganz still. Gionas Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf: Die Wahrheit verbirgt sich in diesem Augenblick des Verzugs, in Natalias Schweigen, im Warten auf das richtige Wort.
    Am Ende hätte Contini alles verloren, was er verlieren konnte. Dennoch empfand er einen eigenartigen Seelenfrieden.
    Vielleicht war das die Lösung. Vielleicht musste man, um sich nicht zugrunde richten zu lassen, einfach die Klappe halten. Nicht ständig, das nicht, aber wenigstens ein paar Minuten am Tag. Schweigen, schreiben, Bilder ansehen. Füchse beobachten.
    Still

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