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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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welcher Verfassung sich Natalia Rocchi tatsächlich befand. Ferner galt es, in Erfahrung zu bringen, wie hoch ihre Chancen auf Besserung standen. Vielleicht kehrte ihr Gedächtnis ja nie mehr zurück.
    Hoffentlich, dachte Savi. Wäre gut für sie.
    Er hatte nichts gegen Natalia, er wollte ihr nichts Böses.

2
Das erste Wort
    Mattias Bild auf dem Monitor hatte verschwommene Konturen. Man hätte meinen können, die Unschärfe liege an der Entfernung, aber in Wirklichkeit war der Bildschirm schuld.
    Giovanni war kein Fan von Skype. Dabei war er von der Technik eigentlich begeistert – dass man mit jemandem reden konnte, der in Kanada war, und ihm ins Gesicht schaute, als säße er einem gegenüber, fand er faszinierend. Aber die Gespräche selber wollten nicht recht in Gang kommen, es fiel ihm einfach nichts ein. Und das, obwohl Mattia ein sehr guter Freund war: Wenn sie sich trafen, hatten sie jede Menge Spaß miteinander, und jedes Jahr arbeiteten sie beide als Gruppenleiter in einem Sommercamp.
    Aber jetzt, wo Mattia in Toronto war, um Englisch zu lernen, hatte Giovanni das Gefühl, einen Wildfremden vor sich zu haben.
    »Wie viel Uhr ist es bei dir?«
    »Ich hab grad gefrühstückt.« Mattia warf einen Blick auf die Uhr. »Viertel nach acht. Ich bin noch nicht ganz wach.«
    Giovanni grinste. »Hier ist es Viertel nach zwei, und ich bin auch irgendwie müde …«, sagte er.
    »Du wirst alt, Mann!«
    Sie lachten versuchsweise, doch aus dem Lautsprecher kam das Geräusch verzerrt, zu laut, wie eine Interferenz.
    »Bist du noch in Corvesco?«, fragte Mattia.
    »Ja.«
    Wieder kam das Gespräch ins Stocken.
    »Sie haben übrigens das Mädchen gefunden«, sagte Giovanni. »Sie ist jetzt hier, bei uns.«
    »Welches Mädchen?«
    »Na, du weißt schon, diese Natalia, die sich im Wald verlaufen hat. Ich hab dir doch erzählt, dass ich sie getroffen habe, oder? Aber sie ist dann wieder abgehauen. Dieser Typ, dieser Contini, hat sie schließlich gefunden und hergebracht, und jetzt wird sie vernommen.«
    »Ach so, ja! Und was macht sie bei dir zu Hause?«
    »Sie haben gesagt, es braucht einen ruhigen Platz für sie.«
    »Und, was meinst du – hat sie was mit dem Mord zu tun?«
    »Keine Ahnung. Glaub ich nicht.«
    Giovanni verspürte einen gelinden Ärger. Nicht auf Mattia – Ärger auf sich, weil er das Gefühl hatte, Natalia Unrecht zu tun, wenn er so über sie redete. Er versuchte das Thema zu wechseln.
    »Und du – machst du heute Abend Toronto unsicher? Hast du schon jemanden gefunden zum Weggehen?«
    Aber Mattia ließ sich nicht ablenken. »Du musst schon noch mehr erzählen«, sagte er. »Wie ist sie, diese Natalia, was für ein Typ? Ist sie hübsch?«
    Giovanni wurde sich bewusst, dass er nie in diesen Begriffen über sie nachgedacht hatte. Vielleicht sah auch er sie ganz falsch, wie eine Person, die nicht aus der realen Welt stammte. Dabei war sie in seinem Alter, sie ging aufs Gymnasium, sie wohnte in Lugano.
    »Hübsch? Weiß nicht …«
    »Wie ist sie denn? Hast du mit ihr geredet?«
    Giovanni nickte.
    »Und was sagt sie?«
    »Nichts.«
    »Wie, nichts? Wieso ist sie in den Wald abgehauen?«
    Giovanni hob stumm die Schultern.
    »Sie redet nicht. Wenn ich was weiß, sag ich’s dir, aber im Moment weiß ich nix. Wann fängt überhaupt dein Kurs an?«
    Natalia ließ nicht erkennen, dass sie verstand, was man zu ihr sagte. Ab und zu sah sie ihr Gegenüber sinnierend an, als hoffte sie, sich mittels Gedankenübertragung verständlich zu machen. Aber bald wandte sie den Blick wieder ab und schlug, fast beschämt, die Augen nieder.
    Contini war sich darüber im Klaren, dass die Polizei seine Anwesenheit nur widerwillig tolerierte. Ebenso die Verantwortlichen der Vormundschaftskommission: Sie akzeptierten ihn nur, weil er Natalia gefunden hatte und sie in seiner Gegenwart etwas weniger verängstigt schien. Auch Giovanni Canova übte eine irgendwie beruhigende Wirkung auf sie aus, was daran liegen mochte, dass er und Contini die Ersten waren, die versucht hatten, sie aus dem Wald in die menschliche Gesellschaft zurückzuholen.
    Commissario De Marchi hatte im Esszimmer der Familie Canova eine Dependance seines Kommissariates eingerichtet. Der Ikea-Tisch war in einen Schreibtisch umgewandelt worden, vier stoffbespannte Campingstühle und ein Schemel umringten ihn. Auf der Tischplatte lag De Marchis Aktentasche, aus der eine Flut von Papieren, Polizeiberichten, ärztlichen Gutachten und Ausdrucken von Fotos quoll. Daneben

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