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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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lagen eine Füllfeder und ein Päckchen Brissago; der Aschenbecher stand bereit.
    »Nett«, sagte Contini. »Ihr Sommerbüro?«
    »Wir haben Ihnen erlaubt, hier zu sein. Nicht, den Hanswurst zu spielen!«
    Brenno Bonetti, der zusammen mit Contini eingetreten war, räusperte sich und hob die Hand. »Bitte, meine Herren, bleiben wir doch ruhig«, sagte er. »Es geht doch um das Mädchen.«
    »Ich bin die Ruhe selbst«, antwortete Contini. »Der Herr Kommissär weiß das.«
    De Marchi umklammerte mit der Rechten sein Feuerzeug und ließ es wild auf- und zuschnappen; das war seine Methode, letzte Geduldsreserven anzuzapfen.
    In diesem Moment erschien Natalia in Begleitung von Marta Canova und Rechtsanwalt Bossi. Signora Canova war eine kernige Frau mit langem Haar wie ein junges Mädchen. Sie begrüßte die Anwesenden mit einem herzlichen Lächeln und sagte: »Wenn Sie was brauchen – ich bin drüben in der Küche.«
    Alle umringten stehend den Kommissär, der noch ein paar Mal sein Feuerzeug schnappen ließ, bis er zu Natalia aufblickte und sagte: »Setzen Sie sich bitte, Signorina Rocchi.«
    Sogleich setzten sich auch Contini, Bonetti und Bossi, jeder auf einen Campingstuhl, und Contini musste an ein Zeltlager denken, dessen Teilnehmer ums Feuer saßen und die Bratwürste beaufsichtigten.
    »Ich bin mir bewusst«, begann der Kommissär, »dass Sie derzeit Schwierigkeiten haben, sich auszudrücken. Aber Sie müssen sich jetzt anstrengen. Es ist sehr wichtig, dass Sie uns helfen herauszufinden, wer Ihre Mutter umgebracht hat.«
    Natalia schüttelte ratlos den Kopf. Offenbar verstand sie nicht.
    »Sie können uns helfen«, wiederholte der Kommissär, langsamer, »herauszufinden, wer Ihre Mutter umgebracht hat.«
    Natalia sah ihn an.
    »Wer. Ihre Mutter. Umgebracht. Hat.«
    »Sie versteht es nicht«, sagte Bonetti. »Das springt doch ins Auge.«
    »Das werden wir sehen«, entgegnete De Marchi. »So schnell gebe ich nicht auf.«
    »Ich bitte Sie dennoch, behutsam vorzugehen«, schaltete der Anwalt sich ein. »Sie haben doch nicht etwa einen Verdacht gegen das Mädchen?«
    De Marchi schnaubte, und sein Daumen auf dem Feuerzeug zuckte. »Sie wissen sehr gut, Herr Advokat, dass das Mädchen unsere wichtigste Zeugin ist. Hören Sie, Natalia …«
    Natalia sah ihn an, als hätte sie in diesem Wörterhaufen allenfalls ihren Namen verstanden.
    »Natalia«, begann der Kommissär noch einmal. »Verstehen Sie das Wort ›umbringen‹?«
    Natalia starrte ihn mit zusammengezogenen Brauen an.
    »Umbringen«, wiederholte der Kommissär.
    »Entschuldigung …«, warf Rechtsanwalt Bossi ein.
    »Pst«, unterbrach ihn De Marchi. »Vielleicht hat sie das jetzt kapiert.«
    In der Miene des Mädchens zeigte sich der Anflug eines Erkennens, wich aber gleich darauf einem resignierten Ausdruck. Der Augenblick war dahin. Mit zusammengepressten Lippen wandte sich Natalia ab und blickte hilfesuchend zu Contini. Er begriff, dass sie gegen die Tränen ankämpfte. Er stand auf und legte ihr, ein bisschen unbeholfen, eine Hand auf die Schulter.
    »Mutter«, versuchte De Marchi jetzt. »Deine Mama. Verstehst du?«
    Natalia hob abrupt den Kopf. Contini zog seine Hand zurück und fragte: »Alles okay?«
    Natalia nickte.
    »Mama?«, wiederholte De Marchi.
    Natalia nickte wieder, hastig. Der Kommissär spitzte die Ohren. Er warf sein Feuerzeug in den Aschenbecher und beugte sich vor, beide Hände flach auf der Tischplatte.
    »Deine Mama, deine Mama, verstehst du?«
    Doch die Miene des Mädchens wurde abweisend und gleich darauf panisch – als habe sie etwas Ungeheuerliches erblickt oder sei eben aus einem Albtraum erwacht.
    »Natalia?«, drängte der Kommissär.
    »Signor De Marchi!«, protestierte Bossi.
    »Natalia«, wiederholte der Kommissär. »Natalia, deine Mutter …«
    »Moment mal«, wandte jetzt Bonetti ein. »Sie sehen doch, dass sie …«
    Er brach ab. Natalia starrte ihn an. Dann starrte sie eine Zeit lang Contini an, drehte sich zu Bossi und kehrte schließlich zu De Marchi zurück. In ihrem Gesicht stand blankes Entsetzen. Tonlos hauchte sie: »Rauch.«
    Verblüffte Stille senkte sich über den Raum. Vier Augenpaare hingen an Natalias Lippen. Bis sie erneut sprach.
    »Rauch in den Augen. Meine Mutter, ich habe … habe verstanden. Mit Rauch.«
    Sie brach ab. Stockend fügte sie hinzu: »Ich muss … fliehen. Dieser Mann mit den Blättern, Mutters.«
    Unsicher formte sie ihre Worte. Manchmal beschleunigte sie das Tempo jäh, um gleich wieder

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