Elidar (German Edition)
Steinhaufen widmen und dann, in ihrer vollen Größe, über die Stadt aufsteigen und sie in Trümmer, Schutt und Asche legen. Voller Vorfreude ließ sie ein paar Funken aus ihren Nüstern stieben. Das Feuer war heiß genug. Jetzt, Würmchen, dachte sie, schrei deinen letzten Atemzug in die Welt hinaus!
»Halt ein«, hörte sie eine brüchige Stimme rufen. Und zu ihrem Erstaunen spürte sie die Wirkung eines Bannes, die ihre Glieder einen Moment lang erstarren ließ. Als der Bann an ihrer Macht zerschellte, wandte sie den Kopf, um sich den neuen Gegner anzusehen.
Ein magerer Wurm, der sich kaum auf den Beinen halten konnte. Kein Gegner für sie, und nicht halb so interessant wie der größere Mensch auf der anderen Seite. Wieder wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem ersten zu, und wieder ließ ein unvermuteter Bannspruch sie für kurze Zeit innehalten.
Erbost fuhr sie mit dem Kopf herum und hob den langen Schweif angriffsbereit über den Kopf. Kein Feuer für das lästige, knochige Dingelchen. Ein Schlag mit dem Schweif, und …
»Elidar«, sagte der Magere. Seine erhobene Hand zitterte, aber der Blick aus den tiefliegenden Augen war fest. »Lass ab von ihm.«
Die Drachenkönigin schnaubte, ein Funkenschauer hüllte das Menschenwesen ein. »Wie nennst du mich, Wurm?«
Sie konnte erkennen, was er vor sich sah: Ein schreckenerregendes Ungeheuer aus Feuer und Glut, mit eisernen Klauen gewappnet und gepanzert, rotglühende Nüstern und Augen, die wie Eis und Feuer glitzerten und Mordlust versprühten, ein dornenbesetzter Schweif, der sich wie der Stachel des Wüstenskorpions kampfbereit über dem Rücken bog. Aber dennoch wich der Mensch nicht zurück und zeigte zwar durchaus Furcht, doch keine knochenerschütternde Angst wie all die anderen Menschenwürmchen.
»Elidar«, wiederholte der Mensch, und es klang müde und geduldig, als spräche er zu seinem ungezogenen Kind. »Lass ab. Dies ist dein Freund und Lehrer. Du willst ihn nicht töten.«
»Und ob ich das will«, zischte sie. In ihr vermischten sich seltsame Gedanken und Gefühle, die das grollende Feuer ein wenig abkühlten. Das Feuer brannte vielleicht weniger heiß, aber Zorn, Enttäuschung und das Gefühl, verraten worden zu sein, loderten umso höher. »Er hat den Tod verdient, Eure Magnifizenz. Er hat Euch hintergangen und vergiftet!«
Sie sandte einen wütenden Stoß brennend heißer Luft gegen den Kauernden. Der riss die Arme empor und schrie, versuchte, das Gesicht und die Augen zu schützen und die sengende Luft nicht in die Lungen zu ziehen, während seine Kleider zu glimmen begannen. Dann schob sich ein Bann zwischen ihren Atem und den sich windenden Magier.
»Friede, Elidar«, wiederholte der andere Magus geduldig. »Überlass ihn mir, mein Kind. Er war mein Freund, und mir hat er geschadet. Die Bestrafung steht allein mir zu. Ich danke dir für deine Hilfe. Aber nun lass ihn gehen.«
Sie senkte den Kopf. Die Kraft lief aus ihr heraus wie aus einem lecken Gefäß, das Donnern und Tosen des Feuers verstummte, die Welt wurde kühl, dunkel und still.
Sie fand sich mit zitternden Gliedern auf dem Boden hockend. Ihre Beine waren zu schwach, um sie zu tragen, und sie konnte kaum den Kopf heben. Stimmen drangen an ihr Ohr, aber sie war zu erschöpft, um den Sinn der Worte zu erfassen.
Dann war es still. Dankbar sank sie in einen dämmerigen Halbschlaf, der sie weich, still und grau umfing.
26
»E in kräftiger Schluck Würzwein und eine heiße Brühe wirken Wunder«, sagte der Cubicular und sah Elidar wohlwollend zu, wie sie den Napf mit einem Stück Brot auswischte. »Möchtest du noch einen Nachschlag, mein Junge?«
Elidar schob den Napf mit einem Stöhnen von sich. »Danke, Eusebian«, sagte sie. »Aber das war schon der Nachschlag!« Sie streckte die Beine aus und dehnte die Arme über den Kopf. »Ich war halb verhungert. Du hast mir das Leben gerettet!«
Der Cubicular nickte und verschränkte mit zufriedener Miene die Hände über dem Bauch. Elidar betrachtete ihn voller Zuneigung. Eusebian war noch ein wenig rundlicher geworden, seit sie zum ersten Mal vor ihm gestanden hatte, ein verschrecktes Kind, dem alles in diesem riesigen Haus fremd und ungewohnt erschienen war.
Sein ehemals fuchsrotes Haar hatte einen verblichenen Zimtton angenommen und das lächelnde Gesicht durchzog ein Netz winziger Runzeln wie die Falten eines weichen alten Lederhandschuhs. Aber er war immer noch genauso geschäftig und zu ihr noch genauso liebenswürdig und
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