Elidar (German Edition)
nicht!«
Bär lachte. »Was denkst du denn, was geschieht, wenn Casarius wieder gesund wird? Er wird dich vor die Tür setzen. Komm, mein Junge, eine Hand wäscht die andere. Wenn er tot ist, weiß außer uns beiden keiner, wer du bist. Du hilfst mir, und ich sorge dafür, dass du Karriere machen kannst. Das hast du doch immer gewollt, hm? Das ist der einzige Weg zu deinem Ziel, und ich bin dein einziger Verbündeter!«
»Verdammt und verflucht«, rief Elidar, und es kam aus tiefstem Herzen.
Bär lachte wieder laut und herzlich und klopfte ihr auf die Schulter. »Zieh die Krallen ein, Tigerkatze. Du bist ein kluges Mädchen, du wirst die Kröte schon noch schlucken, da bin ich mir sicher.« Er lächelte sie an, und seine Zähne blitzen weiß im grünlichen Dämmerlicht des Kreuzgangs. »Aber lass dir nicht zuviel Zeit. Sturm wird nicht mehr sehr lange leben.«
Er wandte sich ab und ging davon.
»Bär?«, rief Elidar hinter ihm her. Er blieb stehen, ohne sich umzudrehen.
»Ich überlege es mir!«
»Gut«, hörte sie ihn noch sagen.
25
E lidar schloss sich in ihrem Zimmer ein, schlief kurz und unruhig und wartete dann, ein Buch auf den Knien. Zur zweiten Stunde nach der Mitte der Nacht war es im Ordenshaus am stillsten.
Elidar öffnete ihre Tür und lauschte, ehe sie sich auf den Weg zu Casarius Sturm machte. Bär konnte mit noch so geflügelter Zunge sprechen, er würde ihr nicht einreden, was recht und was unrecht war. Und wenn ihr Tun wirklich die Konsequenz hatte, dass sie am Ende den Orden verlassen musste, dann würde sie auch das tun - und zwar erhobenen Hauptes!
Wie sie gehofft hatte, war Magnifizenz Sturm allein. Er lag in seinem Bett, wie sie ihn verlassen hatte. Einen Moment befürchtete sie, dass das Gift noch immer in ihm wütete. Aber als sie die Hand auf seine Brust legte, konnte sie fühlen, dass sein Atem zwar flach, aber doch ruhig ging, und dass die grünen Ströme unter seiner Haut nur die von ihr geschaffenen Illusionen waren.
Sie atmete erleichtert auf. »Eure Magnifizenz«, sagte sie leise. »Magnifizenz Sturm, könnt ihr mich hören?«
Seine Lider zuckten leicht, aber er schlug sie nicht auf.
Elidar hockte sich auf die Kante des Bettes und kaute auf ihrer Unterlippe. Es würde gefährlich sein. Sie musste erneut ihre Drachenmagie anzapfen, um Sturm zu heilen. Aber sie wusste immer noch nicht so recht, wie sie vorgehen musste und fürchtete die Gewalt, die hinter dieser heißkalten Magie steckte. Sie hätte gerne die Prinzessin um Rat gebeten - aber das war ein müßiger Wunsch. Es musste auch so gehen. Jetzt oder nie. Wenn Bär dahinter kam, dass das Gift aus Sturms Körper verschwunden war, würde er wissen, wer dafür verantwortlich war.
Mit einem tiefen Atemzug schloss Elidar die Augen und ließ sich in ihr Inneres hinabsinken. Wieder streifte sie das übelkeiterregende Schwindelgefühl, nicht zu wissen, wo und wer sie war. Drachenklauen und scharfe Zähne, Feueratem und ein schuppiger Schweif. Eine edelsteinverkrustete Haut, die jedem Schwert und jedem Feuer widerstehen konnte, und starke Muskeln. Ledrige Schwingen, die eng zusammengefaltet an ihrem Leib lagen. Das Bedürfnis, sie auszubreiten und sich in die Luft zu schwingen, auf dem Wind unter dem Sternenhimmel zu reiten, den heißen Atem des Sturms in ihren Nüstern zu spüren und zu sehen, wie unter ihr Vulkane Feuer und flüssiges Gestein in die schwarze Nacht spieen. Sehnsucht. Heimweh, das biss und zerrte.
Sie zwang sich dazu, in das enge, stickige Gemach zurückzukehren, das sie ebenso einengte wie der weiche, rosige Madenleib, in dem sie seltsamerweise festzustecken schien. Sie betrachtete die andere Made, die da vor ihr lag. Das elende Ding lebte kaum noch. Sie sollte ihm das Herz herausreißen und es verspeisen, das enge Gelass in Trümmer legen, alles verbrennen und davonfliegen, fort aus dieser muffigen Enge. Fauchend hob sie die seltsam rosige Tatze, um das Ding zu töten und spürte einen Widerstand, der sie noch wütender machte.
Nein , flüsterte etwas hinter ihr. Sie drehte sich um, aber da war nichts.
»Wo bist du? Zeige dich«, zischte sie. Als keine Antwort kam, beugte sie sich wieder über das Menschenwürmchen auf dem Lager. Sie verspürte Hass und nagenden Hunger.
Nein , befahl die körperlose Stimme da. Sie hasste Befehle! Wenn jemand befahl, dann war sie es!
Lass ihn , sagte die Stimme. Geh, ruh dich aus. Ich brauche dich später. Geh zurück in dein Nest, Drachenkönigin. Schlafe, bis ich dich
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