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Elidar (German Edition)

Elidar (German Edition)

Titel: Elidar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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können. Ich habe gesehen, welche Kraft in dir steckt. Du bist noch nicht so weit, sie vollkommen zu beherrschen, aber ich hätte dir dabei helfen können. Niemand in dieser Stadt - ach, was rede ich? - niemand in ganz Ledon hätte mehr wagen können, dem Spinnenorden die Stirn zu bieten! Was für ein Verlust!« Sein gequälter Aufschrei hallte in dem fensterlosen Raum wider und schmerzte in Elidars Ohren.
    »Ich bin immer noch hier«, erwiderte sie.
    Sturm hörte auf, die Hände zu ringen und sah sie verdutzt an. »Was? Nein. Nein, nein, das ist ganz und gar undenkbar. Du bist eine, eine …«
    »Ich weiß«, erwiderte sie müde. »Wie also lautet Eure Entscheidung?«
    Er ließ sich in den Stuhl am Kopf des langen Tisches sinken und legte erschöpft die Stirn in die Hände. »Ich bin noch nicht wieder vollkommen bei Kräften. Gleich, nach der Ruhezeit, werden wir im Rat über Bärs weiteres Schicksal entscheiden. Ich bin müde, Elidar. Ich wünsche mir nichts weiter, als in meinem Bett zu liegen, Eusebians heiße Brühe zu löffeln und bis übermorgen zu schlafen.« Er seufzte. »Halte mich nicht für undankbar. Du hast mir und dem Orden einen großen Dienst erwiesen. Deshalb werde ich dich auch nicht sofort fortschicken. Und du wirst nicht ohne eine Summe Geldes gehen, mit der du dir anderen Ortes ein Leben aufbauen kannst.« Er blickte auf. »Möglichst weit fort von Ledon, verstehst du mich? In diesem Land ist kein Platz für solche wie dich. Geh zurück nach Yasaim. Oder sieh dich ein wenig in der Welt um. Die Heimat unserer verehrten Prinzessin soll Frauen wie dich beherbergen.«
    Das waren klare Worte. Elidar nickte steif und erhob sich.
    »Wann muss ich gehen?«
    Er sah sie nicht an. »Morgen.«
    Er hatte ›nicht sofort‹ ganz offensichtlich wörtlich gemeint. Elidar nickte und wandte sich zum Gehen. Sie musste packen.
    »Komm morgen früh zu mir«, hörte sie Sturm noch sagen, dann trennte sie die geschlossene Tür.
    Ihre Kammer war still und kalt. Elidar, die immer noch heftig fror, ließ das Holz in der Feuerstelle aufflammen und hockte sich auf ihr Bett, mit einem Mal bis auf die Knochen erschöpft. Sie sah sich im Zimmer um. Neben dem Bett lagen ein paar Bücher und an der Tür hing die warme Garnitur für den Winter.
    Elidar beugte sich vor und griff nach der Kukulle aus dicker Wolle. Sie hüllte sich hinein und musterte weiter das spärlich eingerichtete Zimmer. Viel zu packen hatte sie nicht. Selbst die Kleider, die sie am Leibe trug, gehörten dem Orden. Sie würde Eusebian bitten müssen, ihr einen ausgemusterten Habit zu überlassen. Oder würde seine Magnifizenz darauf bestehen, dass sie zivile Kleidung anzog, wenn sie den Orden verließ?
    Sie zog die Beine unter sich und legte die Hände in den Schoß. Das, was jetzt mit ihr geschah, ließ sie erstaunlich kalt. Noch gestern wäre sie am Boden zerstört gewesen, aber gestern war weit fort. Sie war im Feuer der Drachenkönigin verglüht, und jetzt hockte jemand auf diesem schmalen Lager, den sie selbst nicht kannte.
    »Mutterkönigin?«, rief sie stumm. Sie lauschte, aber es blieb still in ihr. Ganz in der Ferne hörte sie das schwache Singen der schwarzen Sphäre. Es klang sanft, sehnsüchtig, ließ sie an Kayvan und seine sonnenglühenden Straßen denken. Wie heiß es dort gewesen war! Sie konnte sich an keine Nacht und erst recht keinen Tag erinnern, an dem sie dort gefroren hätte. Schaudernd zog sie die Kukulle enger um sich. Ledon war kalt, feucht und neblig. Sie sehnte sich nach der trockenen Hitze ihrer Heimat und nach dem endlosen Nachthimmel mit den unzählbaren glitzernden Sternen. Die Flügel auszubreiten und über dem ausgetrockneten Ozean weite Kreise zu ziehen, sich an die Zeit zu erinnern, als die Brandung noch an die felsige Küste schlug und Seevögel ihre heiseren Rufe erklingen ließen. Ach, die Wonne, tief über dem endlosen Wasser zu fliegen, den Himmel über sich, die Gischt zu spüren, wie sie im Feueratem zu Dampf wurde, und dann tief hinabzutauchen und die Kavernen unter dem Meer aufzusuchen, die ihrer eigenen Höhle im Gebirge gleichzeitig so sehr glichen und die doch so ganz anders waren …
    Sie schloss die Augen und dachte fremdartige, von Feuer und Rauch geschwängerte Gedanken, in denen sie trockene Gebirgsketten überflog, in den tiefsten Höhlen auf Bergen von edlen Steinen schlief und von Flügen durch eine endlose, warme Nacht träumte …
    Der geistige Ruf des Ordensoberhauptes riss sie aus ihrem

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