Elidar (German Edition)
Gedanken schwirrten. »Ich kann mich nicht daran erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein. Und das müsste ich doch, wenn ich aus einem dieser - dieser Dinger stammte!«
Ein Blick aus schmalen Augen traf sie. »Du glaubst, dass ich dich belüge?«
»Du bist eine Menschenfrau. So wie ich.«
Nachdenkliches Nicken. »Dann komm mit, Menschenfrau.«
Wieder durchquerten sie die Höhle und betraten einen niedrigen Durchgang. Der Raum dahinter war nur schwach beleuchtet, es war sehr warm. Die Königin sah sich um, dann ging sie zu einer Kammer, an der gerade ein Dkhev arbeitete.
»Nerkar-Dru«, sprach sie ihn an, »zeige uns den Nestling.«
Der Dkhev griff in die Kammer und hob ein schwach zappelndes Bündel heraus, das er der Königin entgegenhielt. Sie nahm es ihm ab und wiegte es sacht im Arm. »Sieh her«, sagte sie.
Elidar beugte sich über das Wesen, das locker in ein helles Tuch gehüllt war. Schläfrig blinzelnde blaue Augen, eine winzige, rosige Nase, dann ein herzhaftes, zahnloses Gähnen. Das war ein Menschenkind, ganz ohne Zweifel. Elidar berührte vorsichtig die runde Wange des Kindes. Weich und warm, ganz und gar menschlich.
Sie sah die Königin fragend an. Die lächelte und hielt ihr das Kind hin. Elidar nahm es in den Arm. »Sieh dir deine kleine Schwester an«, flüsterte die Königin.
Elidar presste die Lippen zusammen. Sie beugte sich tief über das Kind, roch seinen pudrigen, milchigen Geruch und schüttelte den Kopf. »Das ist ein Menschenkind«, sagte sie.
»So?«, erwiderte die Königin. »Glaubst du das?«
Elidar erwiderte den Blick der Frau. Sie sah den Spott in den topasfarbenen, schmetterlingsschillernden Augen. In ihren Händen bewegte sich das Kind, es maunzte leise wie ein Kätzchen. Etwas Seltsames an der Bewegung und dem jammernden Geräusch ließen Elidar den Blick senken. Sie sog scharf die Luft ein. Was sich dort in ihren Händen wand, war ungefähr so menschlich wie eine Schlange oder ein Salamander.
»Drachenbrut«, sagte die Königin. »Junge Königinnen. Die nächste Generation, die ins Nest zurückfinden muss. Dieses hier ist noch zu jung, um es nach oben zu bringen. Es sollte jetzt gefüttert werden.«
Der Dkhev, der geduldig neben ihr gewartet hatte, nahm ihr den Drachennestling aus den Händen. Das kleine Wesen zischte, eine lange, grünliche Zunge fuhr witternd aus der spitzen Schnauze und wieder zurück. Kugelige, grünschillernde Augen drehten sich in ihren Höhlen. Drachenbrut. Junge Königin. Kleine Schwester …
Elidar fand sich vor der Brutkammer wieder. Sie hockte auf einem Felsen und hörte ihren Herzschlag in den Adern pochen.
Die Drachenkönigin stand neben ihr und sah sie an. »Du hättest es doch wissen müssen. Wie sonst könntest du dich in einen Drachen verwandeln, mein Kind? Du bist meine Tochter.«
Elidar hob den Kopf. »Wer ist mein Vater?«, fragte sie. »Der Alte Drache?«
Die Königin wirkte verblüfft. »Mukhar-Dag? Liebes Kind!« Sie stieß einen erstickten Laut aus. »Mukhar-Dag ist der älteste Sohn. Dein Nestbruder, wenn du es so willst. Er ist der Vater der Dkhev in diesem Nest. Aber die Dkhev sind unwichtig. Nicht wertvoller als die Dakh.« Sie reichte Elidar ihre Hand und zog sie auf die Füße. »Hier ist es unbequem. Komm, wir gehen, zurück in meinen Ruheraum.« Und schon schwankte die Welt wieder unter Elidars Füßen.
Elidar sammelte ihre Gedanken. »Also hast du deine … Kinder in Ledon gelassen. Bei den Magierorden.«
»Nicht alle«, sagte die Königin. Sie lehnte in den Polstern und aß einen saftigen Pfirsich. »Ich habe in Ledon meinen Gefährten verloren und wollte seine Brut nicht in Gefahr bringen. Er war ein guter, starker Gefährte.«
Elidar kämpfte erneut mit Übelkeit. »War er mein Vater?«, fragte sie.
Die Königin überlegte, während sie sich klebrigen Saft von den Fingern leckte. »Ja, das könnte sein«, sagte sie schließlich. »Ich bin nicht sicher. Es ist schon so lange her. Damals waren gerade zwei deiner älteren Schwestern ins Nest zurückgekehrt und haben ihre Position beansprucht. Ich habe das Gelege, zu dem du gehört hast, in die Kühlkammern bringen lassen, damit sie es nicht zerstören können. Dort hast du mit deinen Gelegeschwestern eine lange Periode verbracht, bis die Angelegenheit geklärt war.«
»Ich glaube, ich verstehe gar nichts«, murmelte Elidar, die mit einem Mal so müde war wie schon seit Equils nicht mehr.
»Du solltest dich ausruhen«, sagte die Königin. »Komm her.« Sie
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