Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
einem eigenen Haus in Hallstahammar wohnte.
Während sie auf die anderen warteten, musterte sie ihren Kollegen verstohlen. Würde er ihr zufällig auf der Straße begegnen, würde sie ihn wohl kaum wahrnehmen. Ergrauende kurze Haare, hängende Schultern, mittlere Größe. Vielleicht um die vierzig. Ein Mann aus dem västmanländischen Bergwerksmilieu, ein Polizist, der niemals die Stimme erhob und die Leute dennoch dazu brachte, ihm zuzuhören.
Als Rosén und Svalberg eintrafen, verteilte er vier Seiten Computerausdrucke.
»Ich habe versucht, uns einen Überblick über Åkessons politische Karriere zu verschaffen, so detailliert, wie es in dieser kurzen Zeit möglich war. Die Liste basiert auf Aussagen mehrerer Politiker und auf Zeitungsartikeln. Das File liegt in meinem PC, ich schlage also vor, dass wir die Zusammenstellung nach und nach ergänzen. Ich denke, falls der Mord einen politischen Hintergrund hat, ist es gut, sich rasch informieren zu können, was Åkesson wo und wann getan hat.«
»Könntest du uns eine kurze Zusammenfassung geben?«, fragte John Rosén.
»Ja. Er hat, bis er 1982 Gemeinderat wurde, steil Karriere gemacht. Er hätte weiterkommen können. Viele haben versucht ihn zu überreden, in den Reichstag zu gehen; aber er wollte nicht.«
»Warum nicht?«, fragte John Rosén.
»Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, meinten, er sei nicht interessiert gewesen. Er wollte lieber die Nummer eins in einer Kommune sein als die Nummer hundert auf staatspolitischer Ebene. Fast alle, die ich gefragt habe, haben dasselbe ausgesagt. Ein Mann …«
Enquist blätterte in seinem Notizblock.
»… er heißt Karl-Axel Svensson, ein Sozialdemokrat, der im Gemeinderat sitzt, sagte aus, Åkesson habe ihm einmal im Vertrauen erzählt, er rechne nicht damit, es in der Staatspolitik besonders weit zu bringen.«
»Hat er auch gesagt, warum Åkesson das glaubte?«, fragte Elina. »Göran Persson hat ja auch als Gemeinderat in einer bedeutend kleineren Stadt als Västerås begonnen. Hätte Åkesson keine entsprechende Karriere machen können?«
»Das ist ja das Interessante«, sagte Enquist. »Karl-Axel Svensson hat ihm wohl genau dieselbe Frage gestellt – natürlich ohne den Vergleich mit Göran Persson zu ziehen. Es war vor der Wahl 1988. Svensson hat sich an die Antwort erinnert.«
»Und?«
»Ingvar Carlsson, der damals Parteivorsitzender war, hatte ihn gebeten, mit der Kandidatur bis zur nächsten Wahl zu warten, also bis 1991. Åkesson wollte nicht erklären, warum. Aber Karl-Axel Svensson hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass Åkesson seine Chancen für einen Aufstieg als gering betrachtete, solange Ingvar Carlsson Parteivorsitzender sein würde. Und dass er dann zu alt war, als Göran Persson den Vorsitz übernahm.«
»Wir werden wohl Ingvar Carlsson befragen müssen«, sagte John Rosén. »Machst du das, Erik?«
Erik Enquist nickte. Elina beugte sich zu ihm vor.
»Du hast gesagt, dass er bis 1982 eine steile Karriere gemacht hat. Bedeutet das auch, dass er Västerås sein ganzes Leben lang treu geblieben ist?«
»Im Großen und Ganzen ja. Ich will euch von seinem Hintergrund erzählen. Er wurde hier geboren, hat als Kind in der Emausgatan gewohnt, sein Vater war zunächst Landarbeiter und wurde dann Postangestellter. Die Mutter war Hausfrau, arbeitete aber später beim Konsum. Er begann als Fünfzehnjähriger bei Asea in der Mimerverkstaden zu arbeiten. Das war 1952. Im Jahr davor war er den Jusos beigetreten. Er wurde im Metallverein gewerkschaftlich aktiv und man vertraute ihm sehr schnell Ämter an, obwohl er noch so jung war. In den siebziger Jahren machte er Karriere bei der Gewerkschaft Metall. Auch in die Kommunalpolitik ist er frühzeitig eingestiegen, im Gemeinderat war er seit 1962 tätig.«
»Vierzig Jahre Gemeinderat«, sagte Henrik Svalberg. »Man kann nicht behaupten, er hätte keine Ausdauer gehabt.«
»Und er wurde von allen Lagern respektiert. Auch wenn er wegen der Einsparungsmaßnahmen in den neunziger Jahren ziemlich viel Gegenwind bekam.«
»Deswegen ist es ein wenig verwunderlich, dass Ingvar Carlsson seinen Weg in den Reichstag bremste«, sagte John Rosén.
»Aber du hast meine Frage nicht beantwortet, Erik«, mischte Elina sich ein. »War Åkesson ohne Unterbrechung in Västerås tätig?«
Enquist blätterte in seinem Computerausdruck.
»Fast. Im ersten Halbjahr 1962 war er Ombudsmann der Jusos in Luleå. Es war eine Vertretung, deswegen blieb er wohl nur
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