Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
versammeln. Elina war schon um halb sieben auf; sie hatte beschlossen, jeden Morgen eine lange Trainingsrunde zu laufen. Dass sie Karate beherrschte, hatte ihr einmal das Leben gerettet, und sie wollte ihre Kondition auf keinen Fall verlieren. Auch betrachtete sie ihren schwarzen Gürtel als Herausforderung.
Vor der Besprechung wollte sie sich überdies auf einen schnellen Imbiss mit Susanne, ihrer besten Freundin, treffen. Äußerlich waren sie sehr gegensätzlich, wesensmäßig einander jedoch sehr ähnlich. Susanne war Rechtsanwältin und Mutter von Elinas Patenkind Emilie.
Kurz vor zehn betrat Elina »Brogården« an der Storagatan. Sie bestellte einen Cappuccino und ein Schinkenbrot mit Senf. Sie hatte sich gerade gesetzt, als auch schon Susanne hereinkam, das blonde Haar zu einem unordentlichen Knoten aufgesteckt.
»Die Prinzessin der Medien«, sagte sie mit einem aufgesetzten Lächeln.
»Du hast ja keine Ahnung, wie schwer es ist, sich die Autogrammjäger vom Leib zu halten«, antwortete Elina.
»Du bist hübsch auf den Fotos. Besonders auf dem in Expressen, wo du unter der Absperrung hindurchgehst. Dein Hinterteil kommt dabei sehr gut zur Geltung.«
»Na wunderbar«, sagte Elina mit einer Grimasse.
Susanne nahm einen Kaffee und setzte sich ihr gegenüber. Sie hatten die Ecke des Lokals allein für sich.
»Erzähl mal«, sagte Susanne. »Alle reden von dem Mord. Jeder in der Kanzlei macht sich Hoffnung, den Mörder vor Gericht verteidigen zu dürfen. Ich werde es bestimmt nicht tun, du kannst mir also alles erzählen, was du weißt. Über meine Lippen wird nichts kommen.«
Sie kniff zur Demonstration den Mund zusammen, lächelte und beugte sich vor.
»Ich wünschte, ich hätte was zu erzählen«, sagte Elina. »Aber es gibt fast nichts. Wir haben nicht die geringste Spur, wenn ich ehrlich sein soll. Wir verhören Leute in seiner Umgebung, es scheint jedoch nirgendwohin zu führen.«
»Gar nichts?«
»Nein … aber da ist etwas, das mir nicht aus dem Kopf geht. Ein Detail, das eigentlich gar nicht besonders auffällig ist.«
»Wieder die viel beschriebene Wiiksche Intuition?«
»Ja, vielleicht. Vermutlich ist es nichts, aber wir haben bei Åkesson ein altes Foto gefunden. Darauf sitzt er zusammen mit einem anderen jungen Mann auf einer Couch. Nichts Besonderes, vergleichbare Bilder findet man wahrscheinlich bei jedermann.«
»Aber?«
»Es war das einzige Foto aus seinen jungen Jahren, abgesehen von Bildern der Familie. Es wich von einem Muster ab, falls du verstehst, was ich meine. Ich frage mich, warum er ausgerechnet das aufbewahrt hat.«
»Vielleicht ist es einfach nur liegen geblieben.«
»Trotzdem frage ich mich, warum es nicht mehr Bilder dieser Art gibt? Mir kommt es wie eine bewusste Entscheidung vor, ausgerechnet das zu behalten.«
»Weißt du, wer der andere Mann auf dem Bild ist?«
»Nein, aber ich bin heute Nachmittag mit Åkessons Exfrau verabredet. Ich werde sie fragen. Vielleicht weiß sie es.«
»Aber warum sollte das Foto mit dem Mord zu tun haben?«
»Bislang habe ich dafür keinerlei Erklärung. John Rosén glaubt, dass der Mord mit der jüngsten Vergangenheit Åkessons zusammenhängt. Vermutlich hat er Recht.«
»Gut aussehend, dieser John Rosén«, sagte Susanne, »den Bildern nach zu urteilen.«
»Er ist jedenfalls der charmanteste Mann bei der Polizei«, sagte Elina. »Aber die Konkurrenz ist auch nicht besonders groß.«
»Wie alt ist er? Ist er verheiratet?«
»Um die fünfundvierzig, vermute ich. Ich habe keine Ahnung, ob er verheiratet ist. Jedenfalls trägt er keinen Ring.«
»Das ist dir also aufgefallen?«
Elina lachte.
»So was sieht jeder Single. Das weißt du doch.«
»Und sonst? Du weißt, was ich meine.«
»Martin schickt mir immer noch Mails. Ich antworte nicht. Mit anderen Worten, alles wie gehabt. Und wie geht es meinem kleinen Liebling?«
»Emilie ist einfach wunderbar. Ständig lernt sie was dazu und kann nicht aufhören zu plappern, wenn sie ein neues Wort gelernt hat. Johan ist hin und weg von ihr.«
»Du hast es gut«, sagte Elina seufzend.
Eine halbe Stunde später und nach zwei Tassen Kaffee erhob sich Elina.
»Susanne, ich muss gehen. Unser Ermittlungsteam hat um elf eine Besprechung und ich will mich noch etwas vorbereiten. Wir treffen uns doch bald wieder, ja?«
Erik Enquist war schon da, als Elina den Raum betrat. Er nickte leicht, sagte aber keinen Ton. Sie wusste nicht viel mehr von ihm, als dass er verheiratet war und in
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