Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
eintrat.
»Ich möchte gern wissen, was du hiervon hältst«, sagte Elina. »Schau dir bitte zuerst den Mann neben Åkesson auf diesem Bild an.«
Sie reichte ihm das Foto mit den beiden Männern auf der Couch. John Rosén setzte seine Brille auf und betrachtete es schweigend. Dann gab er es Elina zurück.
»Und jetzt sieh dir die acht Männer auf dem Zeitungsfoto an. Wir tun mal so, als handle es sich um eine Zeugengegenüberstellung. Erkennst du den Unbekannten unter denen hier?«
John Rosén stützte über dem Ordner den Kopf in die Hände. Nach einer Weile griff er nach dem Vergrößerungsglas.
»Der Vorletzte«, sagte er. »Ich bin nicht sicher, aber sie sehen sich ähnlich.«
»Das ist derselbe Mann, der auch mir aufgefallen ist.«
»Weißt du, wer das ist?«
»Nein. Ich weiß nicht mal, zu welcher Gruppe er in der Debatte gehörte – zu den Sozialdemokraten oder den Arbeitgebern.«
»Aber warum sollte das von Bedeutung sein? Das Bild von Åkesson und diesem Mann ist vielleicht bei einem geselligen Beisammensein nach der Debatte aufgenommen worden. Das würde die Situation erklären.«
Elina nahm das Foto und starrte darauf, als hoffte sie, die beiden Männer würden anfangen zu reden.
»Es wirkt so privat, findest du nicht? Sie sitzen auf einer Couch, die, soweit ich erkennen kann, in einem Privathaus steht. Und die Mienen. Irgendetwas verbindet die beiden. Jedenfalls ist das mein Eindruck.«
»Aber warum sollte das mit dem Mord zu tun haben? Das Zeitungsfoto ist vor vierzig Jahren aufgenommen worden. Das Bild, das du in der Hand hast, vermutlich auch.«
»Ausgerechnet dieses Foto hat er aufbewahrt. Das ist der einzige Grund, warum ich es interessant finde.«
John Rosén nahm ihr das Foto aus der Hand und betrachtete es erneut.
»Du hast Recht, sie strahlen eine Art Zusammengehörigkeit aus. Vielleicht sind sie Freunde. Wenn der Unbekannte Sozialdemokrat ist, ist das wohl nicht weiter verwunderlich. Aber vielleicht meinst du eine andere Art der Zusammengehörigkeit?«
»Ja … an was denkst du?«, fragte Elina unsicher.
»An Homosexualität zum Beispiel?«
»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Ich habe seine Exfrau nach dem Foto gefragt. Sie sagt, sie kennt den Mann nicht. Aber sie blieb damals in Västerås, während Åkesson in Luleå arbeitete.«
»Åkesson hat nie wieder geheiratet. Er sah nicht übel aus und war erfolgreich. Vielleicht gibt es hier ein verborgenes Motiv.«
Rosén begann in Elinas kleinem Arbeitszimmer auf und ab zu gehen.
»Ich bin dafür, dass wir eine Kopie von dem Foto machen und es an die Kollegen in Luleå schicken«, sagte er. »Die können zu Åkessons ehemaligen Parteigenossen Kontakt aufnehmen. Vielleicht weiß jemand, wer es ist.«
»Homosexualität«, sagte Elina. »Ein heikles Thema, um in seiner Umgebung danach zu fragen. Da verbreiten sich leicht Gerüchte. Und wir haben keinerlei Beweise.«
»Nein. Aber lass uns beide noch einmal in aller Ruhe über alles nachdenken. Wir haben noch nicht mal ein Indiz dafür gefunden, was zu dem Mord geführt haben könnte, nicht der geringste Hinweis in seinem politischen Umfeld, keine Feinde, keine finanziellen Gründe. Er hatte zwar ein kompliziertes Verhältnis zu seinen Töchtern, aber das war mindestens fünfundzwanzig Jahre so. Wir wissen nichts Neues darüber.«
»Ich muss die Töchter noch mal verhören. Aber es ist, wie du sagst. Wir wissen nicht, was sie plötzlich dazu gebracht haben könnte, gewalttätig zu werden.«
»Sex ist ein häufiges Mordmotiv. Homosexualität ist ein noch stärkeres Motiv, wenn es um Menschen geht, die sich nach außen heterosexuell geben und außerdem Positionen im öffentlichen Leben bekleiden.«
»Und hier in Västerås wissen wir ja, wozu Homosexualität führen kann!«
»Du denkst an den Hockeyspieler?«, fragte John und schüttelte den Kopf. »Okay, spiel mit der Idee, dass Åkesson ein Doppelleben geführt hat. Das könnte vielleicht eine so unbegreifliche Tat erklären.«
»Was machen wir?«, wiederholte Elina ihre Frage.
»Wir ziehen es in Betracht, mehr nicht, ehe wir nicht den geringsten Beweis haben. Aber ich schlage vor, dass du Ragnar Sundstedt über Åkessons Privatleben befragst, der war ja angeblich Åkessons bester Freund. Frag ihn nach Frauen, Liebesaffären, alles, wonach man sich bei einer Mordermittlung erkundigen kann, ohne anzuecken.«
»Wäre es nicht Eriks Sache, mit Sundstedt zu sprechen?«
»Enquist hat ihn schon vernommen. Ich bin der
Weitere Kostenlose Bücher