Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Überzeugung, dass es für Sundstedt leichter ist, sich einer Polizistin gegenüber zu öffnen, wenn es um Åkessons Liebesleben geht. Verabrede dich mit ihm, mach es bald.«
John Rosén zog sein Jackett glatt und öffnete die Tür.
»Für den Rest des Tages wollen wir uns freinehmen. Kannst du bis morgen einen Abzug von dem Foto beschaffen? Ich werde mit dem Dezernatschef in Luleå sprechen. Und jetzt wünsche ich dir einen schönen Nachmittag.«
Elina blieb noch eine Weile sitzen, nachdem John Rosén gegangen war. Sie schaute auf das Foto und suchte nach verborgenen Zeichen in dem Gesicht des unbekannten Mannes.
11
Olavi Andersson überdachte seine Alternativen. Das Sozialamt würde ihm im Augenblick wohl kaum eine weitere Zuwendung geben, nicht in dem Zustand, in dem er sich befand. Und wer würde auch nur daran denken, jemanden seines Alters einzustellen? Nicht einmal für die einfachsten Gelegenheitsarbeiten! Zu stehlen, wie er das früher getan hatte, war ihm unvorstellbar. Er wollte nicht erwischt werden und die restlichen Tage seines Lebens hinter Gittern verbringen. Sich Geld zu leihen war unmöglich. Er kannte niemanden mehr. Seine Saufkumpane waren für immer verschwunden. Andere Freunde hatte er nicht. Er überlegte, ob es noch einen Freund aus der Kindheit oder einen Schulkameraden von früher gab, der ihm helfen könnte. Ihm fiel nicht ein einziger ein.
Er war sich sicher, niemals mehr trinken zu wollen. Aber es würde noch mindestens einen Monat dauern, bevor die Sucht nach dem Alkohol erneut einsetzte. Dann würde sich zeigen, was sein Entschluss wert war. Wenn er wieder abstürzte, war es vorbei.
»Geh kein Risiko ein, Olavi«, sagte er laut.
Ich muss diesen Monat richtig nutzen, dachte er dann. Woher bekomme ich Geld? Woher?
Plötzlich stand er auf und schlug die Hände zusammen. Er machte zwei Schritte auf den Fernseher zu und begann in den Papieren zu blättern, die darauf lagen. Bald fand er, was er suchte.
Wie konnte ich das vergessen, dachte er. Alle Hirnzellen weg, klar. Am 26. August. Vielleicht könnte er einen Vorschuss bekommen? Engelbrektsgatan 1.
Er zog sich an und ging ins Zentrum. Diesmal hatte er zwar Geld für den Bus, doch der Spaziergang würde ihm gut tun. Außerdem freute er sich zum ersten Mal seit langem über einen Sommertag. Er fand den Namen des Notars an der Tür eines gelben Steingebäudes, dessen Fassade einen neuen Anstrich nötig hatte.
»Ja?«, sagte eine Frau hinter dem Empfangstresen.
»Ich erwarte ein Erbe von meiner Mutter«, sagte Olavi Andersson. »Ich weiß nicht wie viel, und der Notar …«
Er holte den Brief des Notariats hervor.
»… Johannes Elwin, er schreibt, dass der Nachlass nicht vor dem 26. inventarisiert ist. Aber ich brauche jetzt Geld und wollte mich erkundigen, ob sich die Angelegenheit nicht beschleunigen lässt.«
»Ich frag mal nach, ob Herr Elwin da ist«, sagte die Frau. »Bitte setzen Sie sich solange.«
Nach einer halben Minute kam sie zurück.
»Er ist da und wird Sie gleich empfangen.«
Der Mann ist die Güte selbst, dachte Olavi Andersson dankbar.
Johannes Elwin erhob sich von seinem Schreibtisch und reichte Olavi Andersson die Hand.
»Wir sind uns schon mal begegnet«, sagte Elwin.
»Wirklich?« Olavi Andersson zog die Augenbrauen hoch.
»Ja, da waren Sie vermutlich nicht ganz nüchtern. Aber ich muss sagen, jetzt sehen Sie viel gesünder aus.«
»Der Tod meiner Mutter hat mich verändert. Ich habe wahrscheinlich nicht mehr viele Jahre zu leben und ich will das Beste daraus machen.«
»Sie sind mir keine Erklärung schuldig. Aber als Mitmensch muss ich sagen, dass ich mich freue. Was kann ich für Sie tun?«
»Es geht um das Erbe. Sie haben mir geschrieben, der Nachlass wird am z6. August freigegeben. Ich brauche aber jetzt schon Geld und möchte wissen, wann ich es bekommen kann. Ich versichere Ihnen, dass das Geld nicht für Alkohol draufgehen wird.«
»Wie gesagt, Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Sie sind der einzige Erbe, ganz gleich, was Sie mit dem Geld anfangen.«
Johannes Elwin setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch und nahm eine Mappe aus einem Korb.
»Der Nachlass ist tatsächlich bis auf einen Punkt geklärt. Ihre Mutter ist ja alt geworden und lebte von einer kleinen Rente, wie so viele andere alte Leute. Auf ihrem Konto waren nur 2.316 Kronen. Aber es ist ein wenig mehr geworden, nachdem ich den Hausrat verkauft habe, wie Sie es wünschten.«
Hab ich das?, dachte Olavi
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