Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Frau und führte den Mann aus dem Restaurant. »Die werden wir anzeigen.«
Elina vergewisserte sich, dass die beiden Geld auf dem Tisch hinterlassen hatten. Dann drehte sie sich zur Kellnerin um, die stumm mitten auf der Veranda mit Elinas Fischgericht dastand.
»Ich glaube, ich geh jetzt«, sagte sie. »Der Appetit ist mir vergangen. Aber ich werde bezahlen, was ich bestellt habe.«
»Kommt gar nicht infrage«, erwiderte die Kellnerin. »Ich danke Ihnen.«
Die Wut über das Verhalten des Paares ließ Elina während der ganzen Autofahrt durch die Stadt nicht los. Aber auch auf sich selbst war sie wütend. Ein gebrochener Finger konnte das Ende ihrer Karriere bedeuten.
Wenn der mich anzeigt, hat das eine interne Ermittlung zur Folge, dachte sie, vielleicht sogar einen Prozess wegen Körperverletzung.
Kurz vor Västerås musste sie sich entscheiden, entweder nach Hause oder zum Polizeipräsidium zu fahren. Trotz des Unbehagens, das sie nach den Ereignissen im Restaurant ergriffen hatte, zwang sie sich, an die Ermittlung zu denken.
Ich gehe eine Weile hinauf und denke nach, beschloss sie.
Der Korridor war leer. Sie wusste, dass zumindest John Rosén am Nachmittag arbeiten würde, obwohl es Sonntag war, nahm jedoch an, dass er unterwegs war. Sie schloss ihre Tür auf und stellte ihren Computer an. John Rosén hatte ihr eine E-Mail hinterlassen.
»Wir haben nichts herausbekommen«, schrieb er. »Niemand hat die geringste Ahnung, wer hinter dem Mord stecken könnte, oder kann sich einen Grund vorstellen. Erik hat bis jetzt mit zwölf Personen gesprochen.«
Sie nahm die Ordner mit den Zeitungsausschnitten hervor und schlug die Seite mit dem Artikel über die Debatte in Luleå auf. Der Text war ziemlich kurz und enthielt nichts anderes als eine Zusammenfassung des Gesagten. Was die Rationalisierungen im Arbeitsleben anging, waren sich die Teilnehmer über die Bedeutung einer Zusammenarbeit einig. Die Sozialdemokraten hatten jedoch betont, wie wichtig es sei, das Personal nicht freizustellen; stattdessen sollten die Rationalisierungen dazu genutzt werden, die Produktion so zu erweitern, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten.
Sie musterte jede einzelne der acht abgebildeten Personen genau. Das Foto war von schräg rechts aufgenommen worden. Wiljam Åkesson saß der Kamera am nächsten. Auch die drei Männer hinter ihm waren deutlich zu erkennen. Aber dann wurden die Gesichter kleiner und undeutlicher. Die Person am anderen Ende des Tisches würde man kaum identifizieren können; außerdem war sie nur halb im Profil zu sehen, da sie von dem Mann vor ihr verdeckt wurde. Eine Sekunde lang meinte sie eine Ähnlichkeit mit ihrem Vater zu entdecken, verwarf dann aber diesen Gedanken sofort wieder. Auch der Mann davor kam ihr bekannt vor. Aber die Konturen waren undeutlich.
Elina hob den Telefonhörer und rief bei der Spurensicherung an. Erkki Määttä meldete sich.
»Hallo, du hast also heute Dienst«, sagte Elina. »Kannst du mir vielleicht eine Lupe leihen? Oder ein Vergrößerungsglas?«
»Natürlich, Sherlock«, antwortete Erkki. »Ich hab beides. Du musst dir nur abholen, was du brauchst.«
Mit dem Vergrößerungsglas vor Augen betrachtete sie wenige Minuten später den vorletzten Mann in der Reihe. Das Bild war so körnig, dass sie die Rasterpunkte zählen konnte. Plötzlich straffte sie den Rücken, drehte sich um, schloss die Jalousietür des Schrankes hinter sich auf, nahm das oberste Foto aus der Schublade und musterte es lange. Dann sah sie sich wieder den Mann auf dem Zeitungsbild an.
Elina griff nach dem Telefon.
»Hier ist Kriminalinspektorin Elina Wiik«, sagte sie. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie am Sonntag störe. Aber ich habe eine kurze Frage. Haben Sie, als Wiljam 1962 in Luleå arbeitete, auch dort gewohnt?«
»Nein«, antwortete Kristina Åkesson. »Ich erwartete damals Annelie und zog es vor, in Västerås zu bleiben, wo auch meine Eltern lebten. Wiljam kam oft her und wir wussten, dass es nur den Frühling über dauern würde. Es handelte sich ja nur um eine Vertretung.«
»Vielen Dank für die Auskunft«, sagte Elina, drückte die Gabel herunter und tippte eine neue Telefonnummer ein.
»Wo bist du, John? Hier ist Elina.«
»In meinem Zimmer«, antwortete John Rosén. »Ich bin vor zwei Minuten gekommen. Und wo steckst du?«
»Quer über den Korridor. Kannst du mal zu mir kommen?«
Gleich darauf klopfte er an ihre Tür und wartete ihr »Herein« ab, bevor er
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