Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Scherz.«
»Ach?«
»Nicht, dass du keinen Charme hättest … Also versteh mich jetzt nicht falsch, aber ich finde, es wäre wirklich eine gute Idee, wenn du hinfahren und dich direkt mit dem Geheimdienst und dem Nachrichtendienst in Verbindung setzen würdest.«
»Jetzt interessiert mich aber sehr, warum du findest, dass ausgerechnet ich fahren soll und nicht du oder Kärnlund.«
»Du wirst vermutlich den sprödesten Vertretern der schwedischen Inlandsverwaltung begegnen. Das kann man schon an diesen Antworten erkennen. Nicht mal ein ergrauter Bürodirektor, der dreißig Jahre Erfahrung damit hat, Papierberge bei der Baubehörde wegzuschaufeln, würde auf die Idee kommen, so sinnlos und nichts sagend zu antworten wie die. Nicht ich, sondern nur du könntest sie dazu bringen, es sich ein wenig anders zu überlegen.«
Elina brach in Gelächter aus.
»Du meinst also, ich soll, wenn ich einen Mann vom Geheimdienst treffe, so was sagen wie … ›Was hast du nur für eine große Pistole‹?«
Sie legte den Kopf schräg und rollte mit den Augen. Rosén schaute sie mit einem Blick an, der um Gnade flehte.
»Mal sehen, welche Taktik die beste ist«, sagte sie. »Ich fahre Montag. Und platze da unvorangemeldet rein. Sonst kommen die nur wieder mit ihren schwammigen Antworten. Die sollen nicht die Chance kriegen, nein zu sagen, bevor sie Miss Polizei 2002 getroffen haben.«
28
Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie, sie hätte ein richtig großes Auto. Wie Johns BMW. Warum, wusste sie nicht. Vielleicht um den Anforderungen dieses Tages selbstsicherer begegnen zu können.
Sie fuhr in Höhe von Bålsta auf der E 18 und versuchte sich eine Taktik zurechtzulegen. Doch ihr Gehirn war wie aus Teflon. Nichts schien hängen zu bleiben. Sie redete mit sich selbst und versuchte sich in Rollenspielen. Stellte sich die Gegenargumente vor. Und was sie darauf antworten würde. Aber ihr war klar, dass nichts von dem, was sie sich ausmalte, der Wirklichkeit entsprechen würde. Improvisation war besser.
Sie beschloss, als Erstes zum Geheimdienst zu fahren, ohne überhaupt eine Ahnung zu haben, wie sie hineingelangen oder den richtigen Gesprächspartner treffen sollte. Sie hatte nur den Namen des Polizeidirektors, der die Antwort unterzeichnet hatte.
In der Vorhalle ging sie direkt zur Anmeldung, die mit einer Frau besetzt war, die eher an eine Primadonna im Theater erinnerte als an eine Sicherheitswache. Wallende, lange blonde Haare und ein Glitzern in den Augen, das so manchen Polizeichef vom Land wahrscheinlich wünschen ließ, er wohne in Stockholm.
»Womit kann ich Ihnen dienen?«, fragte die Frau lächelnd.
Elina konnte nicht anders, sie lächelte zurück.
»Ist der Polizeidirektor im Haus? Lennart Karlsson?«
»Haben Sie einen Termin?«
»Nein, aber ich möchte ihn auf jeden Fall sprechen. Mein Name ist Elina Wiik, ich bin Inspektorin bei der Polizei in Västerås. Es geht …«
»Das wird schwierig. Er gehört zur Geheimpolizei.« Die Frau legte den Zeigefinger an die Lippen und blinzelte Elina an. »Aber ich krieg das schon hin«, versicherte sie und wählte eine Nummer.
»Hallo, Lelle. Hier ist Eva vom Empfang. Bei mir ist Besuch für dich. Wer? Eine Polizistin. Eine mit Grips. Es wird dir Leid tun, wenn du nicht sofort kommst.«
Sie legte auf.
»Er kommt«, verkündete sie und nickte Elina zu.
Elina ging einige Schritte rückwärts, den Blick auf das Drehkreuz gerichtet. Nach wenigen Minuten erschien ein kleiner, dünner Mann in dunkelblauem Anzug.
»Lennart Karlsson«, sagte er und reichte ihr über das Drehkreuz die Hand.
»Elina Wiik. Es geht um diese Sache.«
Sie hielt ihm die Antwort des Geheimdienstes auf Oskar Kärnlunds Anfrage vor die Nase.
»Ja …? Da steht alles, was wichtig ist.«
»Können wir uns kurz unterhalten?«
»Ich wüsste nicht, warum, außerdem bin ich ein viel beschäftigter Mann. Aber Sie sind den ganzen Weg von …«
»Västerås …«
»… gekommen, so werde ich also ein paar Minuten opfern.«
Von deiner wertvollen Zeit, dachte Elina. Wie großmütig.
Sie hatte bereits eine Aversion gegen den Mann entwickelt, der jetzt voranging und ihr nicht einmal die Tür aufhielt, als sie das Innere des Polizeipräsidiums betraten. Er ging mit Elina im Schlepptau einen Korridor entlang, ohne sich umzudrehen, und betrat schließlich ein Büro. Ob es seins war oder das eines anderen, war Elina nicht klar.
»Wie gesagt, ich bin ein viel beschäftigter Mann«, wiederholte Lennart
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