Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Karlsson
»Und ich eine viel beschäftigte Frau. Ich muss nämlich einen Mordfall lösen. Diese Arbeit könnten Sie und der Geheimdienst mir erleichtern, wenn wir Zugang zu den Dokumenten bekämen, um die wir gebeten haben.«
»Von welchen Dokumenten reden Sie?«
»Auf die Sie in Ihrem Schreiben anspielen. ›Angaben über die beiden von Ihnen genannten Personen können mit Rücksicht auf die Landessicherheit nicht gemacht werden.‹ Ich zitiere aus dem Gedächtnis.«
»Das bedeutet nicht, dass wir Dokumente besitzen.«
»Okay. Haben Sie Angaben über Wiljam Åkesson und Erland Bergenstrand oder nicht?«
»Wenn das der Fall wäre, was ich nicht behaupte, so geht aus der Antwort klar hervor, dass sie mit Rücksicht auf die Sicherheit des Landes nicht enthüllt … werden können.«
»Åkesson und Bergenstrand sind tot. Ermordet. Inwiefern kann die Sicherheit des Landes bedroht sein, wenn Sie mir, hier und jetzt, sagen, ob der Geheimdienst überhaupt Informationen über die beiden besitzt?«
»Darauf kann ich nicht antworten. Das ist implizit in der Antwort enthalten.«
»Implizit?«
Elina sah Lennart Karlsson an. Die Idee, weiblichen Charme zu nutzen, um ihren Willen durchzusetzen, war vollkommen abwegig. Verunsicherungstaktik schien hier eher angebracht zu sein.
»Sie haben eine Warze auf der Stirn. Wissen Sie das?«
Er starrte sie mit offenem Mund an wie ein Fisch.
»Sind Sie Polizist?«, fuhr sie fort, ehe er etwas sagen konnte.
»Ich bin Polizeidirektor.«
»Und haben Sie schon mal eine Leiche gesehen? Einen ermordeten Menschen?«
»Ich bin Jurist. Und ich finde, Ihre Fragen grenzen an Beleidigung. Ich bin der Meinung, wir sollten das Gespräch beenden.«
»Welches Gespräch? Sie haben nicht ein einziges Wort gesagt, das die Bezeichnung ›Gespräch‹ rechtfertigt. Soll der Geheimdienst nicht politische Verbrechen verhindern, und sie, falls sie dennoch vorkommen, aufklären und den oder die Täter möglichst vor Gericht stellen?«
»Kriminalinspektorin Wiik, mit oder ohne Warze auf der Stirn, Sie haben sich offenbar gut vorbereitet.«
»Wir haben den Verdacht, dass Åkessons und Bergenstrands Reisen nach Vietnam mit den Morden zusammenhängen, und wir wissen, dass zumindest Åkessons Reise einen politischen Hintergrund hatte. Jetzt haben Sie die Chance, einen Fall zu lösen, dem möglicherweise ein politisch motiviertes Verbrechen zugrunde liegt.«
»Sie setzen voraus, dass wir im Besitz von Informationen sind, die auf den Fall hinweisen. Selbst wenn es so wäre, was ich hiermit nicht ausgedrückt haben möchte, gibt es andere Erwägungen zu berücksichtigen.«
»Und die wären?«
»Die Sicherheit des Landes. Das steht schon in unserer Antwort an Sie.«
»Dreißig Jahre alte Informationen über Åkesson sind also wichtiger für die Sicherheit des Landes, als die Lösung eines Mordfalls, dem vielleicht politische Motive zugrunde liegen? Give me a break! «
»Wir haben Ihre Anfrage sorgfältig geprüft, und wenn es Informationen über diese beiden Personen gibt, was ich hiermit nicht ausgedrückt haben möchte, muss Ihr Interesse an der Sache vor einem größeren Interesse zurückstehen – der Sicherheit des Landes.«
»Wir bekommen also keine Informationen von Ihnen?«
»Nein.«
Elina blieb sitzen, obwohl Lennart Karlssons Körperhaltung erkennen ließ, dass er den Raum verlassen wollte.
»Wie schade«, sagte sie, »dass die Polizei nicht bereit ist, der Polizei zu helfen. Dann müssen wir wohl andere Wege suchen, um an die Informationen zu kommen, die wir brauchen.«
Sie betonte jedes Wort des letzten Satzes.
»Wie meinen Sie das?«
»Polizisten müssen sich doch immer an die Wahrheit halten, nicht wahr?«
»Selbstverständlich.«
»Na, dann sind wir uns wenigstens in diesem Punkt einig. Die Medien fragen mich oft, warum es uns nicht gelingt, den Mord an Åkesson aufzuklären. Nächstes Mal muss ich ihnen sagen, woran es liegt. Dass es Informationen gibt, die für uns von Interesse wären, die uns aber vorenthalten werden. Dass ein Polizeidirektor in Stockholm der Meinung ist, es würde die Sicherheit des Landes gefährden, wenn die Polizei in Västerås Dokumente zu lesen bekäme, die seit Jahrzehnten im Keller des Geheimdienstes vor sich hin schimmeln.«
Elina lächelte verbindlich.
»Wollen Sie mir drohen?«, fragte der Polizeidirektor mit starrem Gesicht.
Sie erhob sich und ging, drehte sich an der Tür jedoch noch einmal um.
»Das möchte ich damit nicht ausgedrückt
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