Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
Verbindung mit den Morden an Annika Lilja und Jamal Al-Sharif gebracht werden könnte, wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass es einen Zusammenhang geben könnte. Jamal war aktiv gewesen. Er hatte sich genötigt gesehen, etwas zu unternehmen. Vielleicht hatte sich irgendjemand durch seine Umtriebigkeit bedroht gefühlt.
Sie schaute auf die Liste der Nummern, die Jamal angerufen hatte, und griff zum Hörer. Sie wählte die Nummer von Karl-Erik Ehn beim Roten Kreuz. Ehn hob ab.
Elina nannte ihren Namen und kam sofort zur Sache.
»Am 6. August hat ein Jamal Al-Sharif aus Västerås bei Ihnen angerufen. Sie haben sich laut mir vorliegender Liste 8 Minuten und 42 Sekunden miteinander unterhalten. Worüber haben Sie gesprochen?«
»Wir haben zweimal miteinander gesprochen. Ich erinnere mich noch sehr gut. Er wollte, dass ich ihm dabei helfe, seinen verschwundenen Cousin zu finden – oder genauer gesagt: das Rote Kreuz.«
Elina drückte den Hörer fester ans Ohr. Sie war jetzt ganz aufmerksam.
»Ich erklärte ihm, dass wir eine Anfrage an das Rote Kreuz in jenem Land schicken könnten, in dem sein Cousin verschwand, jedoch nicht viel mehr.«
»Was hat er noch zu Ihnen gesagt? Wie hieß dieser Cousin? Wann … Aber lassen Sie mich eine Frage nach der anderen stellen: Wann soll dieser Cousin denn verschwunden sein?«
»Ich erinnere mich nicht mehr genau. Ich glaube, er sagte Winter 2001.«
»Wie hieß der Cousin?«
»Das weiß ich nicht, aber ich kann nachschauen. Wir haben diese Anfrage nämlich weitergeleitet. Warten Sie bitte einen Augenblick.«
»Danke.«
Elina hörte, wie geblättert wurde.
»Er hieß Sayed Al-Sharif.«
»Was sagte Jamal über die Umstände? Weshalb war dieser Cousin verschwunden?«
»Tja … mal sehen, was ich hier geschrieben habe. Da steht Folgendes: Er ist mit Hilfe von Menschenschmugglern aus Palästina geflohen. Sein Ziel war Schweden, da er dort Verwandte besaß. Er verschwand jedoch auf dem Weg hierher. Das letzte Mal ließ er aus Moskau von sich hören. Wir wandten uns also an das Rote Kreuz in Russland und baten darum, dort Nachforschungen anzustellen.«
»Und?«
»Wir haben bislang keine Antwort erhalten. Die wird auch noch eine Weile auf sich warten lassen. Es dauert nämlich immer ein Jahr, bis uns die Russen Bescheid geben.«
8. KAPITEL
Ellina öffnete die Tür und trat auf den Gang. John Roséns Büro lag ein Stück weiter den Korridor entlang. Vier Männer kamen ihr entgegen. Axel Bäckman grüßte. Egon Jönsson verzog keine Miene. Die anderen beiden nickten. Sie gingen an ihr vorbei. Elina drehte sich um und sah, wie sich die Tür von Bäckmans provisorischem Büro bei der Kriminalpolizei hinter ihnen schloss. Sie drehte sich erneut um und erblickte Rosén auf der Schwelle seines Zimmers.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Komm mal kurz zu mir.«
Rosén schloss die Tür, nachdem sie bei ihm eingetreten war.
»Es kommt Bewegung in die Sache. Die Ermittlung wird aufgeteilt.«
»Wieso das?«
»Die beiden Herren, die du gerade gesehen hast, sind von der Sicherheitspolizei in Stockholm. Sie sollen die Kompetenz in genau umrissenen Ermittlungsabschnitten erhöhen. «
John lächelte gequält.
»Es verhält sich folgendermaßen«, sagte Rosén, als er wieder den Mund öffnete und sein strahlend weißes Gebiss zeigte. »Bäckman ist auf Informationen gestoßen, die nahelegen, dass der Mord an Jamal mit der Situation im Nahen Osten zu tun haben könnte. Wie er an diese Informationen gelangt ist, weiß ich nicht, aber schließlich gehörte er früher selbst einmal zu den Spähern. Das Motiv könnte sein, dass Jamal in Palästina in extremere Aktivitäten als die Verteidigung von Menschenrechten verwickelt gewesen ist. Diese Aktivitäten soll er dann von Schweden aus fortgesetzt haben.«
»Und jetzt haben ihn die Israelis also ins Jenseits befördert?«
»Ja, oder politische Gegner auf der palästinensischen Seite. Eine Art interne Abrechnung. Die Details kenne ich nicht. Ich werde sie wohl auch nicht erfahren. Betrifft dich nicht mehr, wie sich der neue Dezernatschef Jönsson ausgedrückt hat.«
»Sag bloß! Hat er dich als Chef der Mordgruppe gefeuert?«
Was wird jetzt aus mir?, dachte Elina, noch bevor Rosén antwortete.
»Nein. Ich bin nach wie vor der Chef. Und ich leite auch weiterhin die Ermittlung. Außer wenn es um die erwähnten sicherheitspolitischen Aspekte geht. Kurz gesagt, alles, was diese Aspekte betrifft, liegt bei Jönsson. Bäckman wird mit ihm
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