Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
hängengeblieben sind, weil sie überall abgewiesen werden. Selbst in ihren eigenen Ländern. Der Vermieter nimmt diesen Leuten wahnsinnig viel Geld ab. Er heißt Wladimir Petrow.«
»Wie hat dein Freund all das herausfinden können?«
Nadia zuckte mit den Achseln. »Melderegister, Kontakte, was weiß ich? Er hat vermutlich jemanden angerufen, der Zugriff auf die richtigen Informationen hat. In Moskau ist alles möglich.«
Elina dachte einen Augenblick nach. Vielleicht sollten sie ja einen Versuch unternehmen? Das verstieß zwar gegen die Regeln, aber die Ermittlung drohte schließlich ihr und der Mordgruppe aus den Händen zu gleiten.
»Nadia, ruf bitte die Nummer in Moskau an. Frage nach einem Sayed Al-Sharif. Falls er nicht dort sein sollte, dann frage, wo du ihn erreichen kannst und was aus ihm geworden ist.«
»Diesen Namen musst du mir aufschreiben.«
Elina schrieb. Nadia wählte. Dann legte sie wieder auf.
»Es geht keiner dran.«
»Wir versuchen es später noch einmal. Das kann warten.«
Es war bereits nach zehn, als sie wieder zu Hause war. Sie checkte ihre E-Mails. Ihr Vater wie immer. Er berichtete von der Herbsternte in seinem Gemüsegarten. Fragte, was sie gerade zu tun habe. Ob sie mit dem neuen Mordfall befasst sei, über den im Aftonbladet berichtet worden war. Elina schrieb eine kurze Antwort. Auch Anton hatte ihr geschrieben. Sie streckte die Hand nach dem Telefonhörer aus. Er hob ab, seine Stimme klang gequält. Sie wollte am nächsten Tag nach Stockholm und ihn anschließend treffen.
Auch gut, dann kann ich endlich einen Schlussstrich ziehen, dachte Elina.
9. KAPITEL
Verängstigt oder voller Hoffnung, vom Krieg vertrieben oder auf der Jagd nach materiellem Glück, auf der verzweifelten Suche nach einer Zukunft. Sie wurden in Scharen an unseren Küsten angeschwemmt, an ein Land, das zu wenige eigene Kinder hatte, aber die Kinder anderer abwies. An die Küste eines reichen Landes, das bald die menschliche Verarmung des kinderlosen Alterns erleben würde.
Als Elina die Nebenstelle der Migrationsbehörde betrat, meinte sie in eine andere Welt geraten zu sein. Auf der anderen Seite der Straße lag das Råsunda-Fußballstadion, ein Denkmal für alles Schwedische, in dem bei jedem Länderspiel dem Nationalismus leidenschaftlich freier Lauf gelassen werden konnte. In der Nebenstelle saßen Menschen, die eine Fahrkarte nach Schweden gelöst und jetzt eine Nummer gezogen hatten, um nach stunden- und tagelangem Warten mit einem Sachbearbeiter über ihr Bleiberecht verhandeln zu dürfen.
Elina wurde in ein Büro geführt. Hinter einem Schreibtisch saß Yngve Carlström. Um die fünfzig, verlebt, Stupsnase, schmaler Mund. Er schob seine Brille zurecht und reichte ihr dann die Hand. Ein weicher Händedruck.
Bloß kein vorschnelles Urteil fällen, dachte Elina.
Sie nahmen einander gegenüber am Schreibtisch Platz. Ihr Stuhl war etwas niedriger als seiner.
»Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Es geht um drei Anrufe, die Sie im September erhalten haben. Von einem Mann aus Västerås, sein Name ist Jamal Al-Sharif.«
»Und?«
Er beugte sich vor und rückte seine Brille nochmals zurecht. Dann nahm er einen Stift und begann Männchen auf ein Papier zu kritzeln.
»Sie müssen doch gelesen haben, was ihm zugestoßen ist?«, meinte Elina. »Die Zeitungen waren in den letzten Tagen voll davon.«
»Nein, ich habe keine Ahnung.«
Elina betrachtete seine Hand, mit der er immer weiter strichelte. Er bemerkte ihren Blick und legte den Stift beiseite.
»Ich weiß, um wen es sich handelt«, sagte er. »Aber was ist passiert?«
»Er wurde letzten Sonntag zusammen mit seiner Freundin ermordet.«
»Das klingt schrecklich.«
»Das ist es auch.«
»Und was hat das mit mir zu tun?«
»Worum ging es bei diesen Anrufen?«
»Ich muss nachdenken.«
Er nahm die Brille ab und massierte seine Nasenwurzel.
»Ich glaube, wir sollten ihm dabei helfen, einen Verwandten ausfindig zu machen, der angeblich nach Schweden gekommen war. Ja, genau, so war es. Er wollte wissen, ob wir irgendwelche Unterlagen über ihn besitzen.«
»Was für Unterlagen hätten das sein sollen?«
»Irgendwas, woraus hervorgegangen wäre, dass dieser Verwandte einen Asylantrag gestellt habe. Ich glaube, er wollte wissen, ob diese Person in Schweden eingetroffen und dann abgeschoben worden war. Er wollte herausfinden, ob diese Person bereits auf dem Weg nach Schweden verschwunden war oder erst nach der Abschiebung.«
»Gab es
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