Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
diese Leute anrufen? Oder sollen wir sie aufsuchen?«
»Wir …«
Es klopfte. John Rosén wartete, bis Elina »Herein« sagte.
»Enquist ist gerade zurückgekommen«, sagte Rosén. »Jamal hatte seit Oktober 2000 ein Konto bei der Föreningssparbanken. Das Konto war immer ausgeglichen, nie überzogen, wies allerdings auch keinen sonderlichen Umsatz auf. Lohn oder Ausbildungsbeihilfe sind regelmäßig jeden Monat eingegangen. Er hat immer nur ein paar Hundert auf einmal abgehoben, außer zum Monatsende hin. Vermutlich musste er dann seine Rechnungen zahlen. Eine Sache ist jedoch rätselhaft. Im Dezember 2000 hat Jamal einen Kredit von 70000 Kronen beantragt. Er erhielt einen abschlägigen Bescheid, da er kein festes Einkommen hatte.«
»Wusste die Bank, wofür er das Geld verwenden wollte?«, fragte Elina.
»Nein.«
»Vielleicht wollte er Möbel kaufen. Im Oktober hatte er die Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Er hatte sein Versteck verlassen und wollte ein neues Leben beginnen.«
»Der Mann von der Sparkasse hatte Jamal damals gefragt, vermutlich aus reiner Neugierde, weil Jamal ohnehin keinen Kredit bekommen hätte. Aber Jamal hatte ihm geantwortet, er könne nicht sagen, wofür er das Geld benötige. So hatte er das ausgedrückt. Dass er es nicht sagen könne. Diese Antwort war so ungewöhnlich, dass sich der Typ von der Bank noch daran erinnern konnte.«
»Wie soll man das deuten?«, fragte Svalberg.
»Vielleicht, dass Jamal ein Geschäft plante, von dem er nichts erzählen wollte, aber zu ungeschickt war oder vielleicht auch nur zu schlecht Schwedisch sprach, um sich eine glaubwürdige Geschichte einfallen zu lassen.«
Elina zeigte Rosén die Listen mit den Telefonnummern.
»Das ist die Nummer seiner Eltern in Gaza«, sagte sie und deutete auf eine Nummer. »Ich habe sie gerade an das schwedische Konsulat in Jerusalem weitergegeben.«
»Man kann nur hoffen, dass die Eltern keine schwedischen Zeitungen lesen«, murmelte Svalberg.
»Was sollen wir mit den anderen Nummern machen?«, wollte Elina wissen.
»Durchtelefonieren und fragen, warum Jamal angerufen hat.«
Elina nickte.
»Gibt es jemanden bei uns, der Russisch kann?«, fragte Svalberg.
»Brauchen wir nicht«, meinte Elina. »Ich weiß, wen ich fragen kann.«
John Rosén blieb einen Augenblick in der Tür stehen. Elina sah, dass er über etwas nachdachte. Sein Blick war konzentriert, aber auf nichts Bestimmtes gerichtet.
»Ja?«, sagte sie. »Ist noch was?«
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Aber ich habe das Gefühl, dass es um ihn geht und nicht um sie.«
»Warum?«
»Der Mörder hat ihn zuerst erschlagen. Sein Tod war wichtiger.«
»Er war der Mann«, wandte Elina ein, »und stärker als sie. Vielleicht lässt sich die Reihenfolge ja auch so erklären.«
»Wer kann sich schon gegen eine Axt verteidigen? Und denk an die DV-Kassette. Sie sprachen miteinander. Jamal hat ihn vielleicht erkannt?«
»Das ist ja der Normalfall. Dass sich Mörder und Opfer kennen. Du könntest also Recht haben. Falls sich die beiden kannten, dann spricht sehr viel dafür, dass es sich um eine Abrechnung gehandelt haben könnte. Sie wurde getötet, damit es keine Zeugen gibt. Wenn es sich nicht um einen Eifersuchtsmord gehandelt hat!«
»Vielleicht hat es ja etwas mit diesem Geschäft zu tun, von dem du gesprochen hast?«, meinte Svalberg. »Diesem Kredit über 70000 Kronen. Da die Bank ablehnte, lieh er sich das Geld vielleicht von einem Wucherer. Und dann konnte er es nicht mehr zurückzahlen.«
»Vielleicht weiß Agnes Khaled ja etwas darüber. Soll ich sie nach diesem Kreditantrag fragen?«
»Schreibt sie darüber dann in der Zeitung?«, fragte Rosén.
»Die Gefahr besteht.«
»Frag sie trotzdem. Wir müssen schon ein paar Risiken eingehen, wenn wir weiterkommen wollen. Sag, dass diese Information Bestandteil des Ermittlungsverfahrens ist, vielleicht ist sie dann ja so nett, die Einzelheiten nicht auszubreiten.«
Sie verabredeten sich im Brogården, sozusagen auf neutralem Territorium. Elina holte zwei Tassen Kaffee. Agnes Khaled begann. »Ich habe mich mit den Leuten unterhalten, die Jamal versteckt haben. Eine Frau aus der Familie wird Sie anrufen. Anonym. Sie wissen, warum.«
»Gut«, erwiderte Elina. »Mich interessiert die Information, nicht die Person. Jetzt wollte ich Sie allerdings etwas anderes fragen. Als Erstes muss ich jedoch wissen, ob alles, was ich sage, gedruckt wird?«
»Das kommt ganz darauf an. Ich kann nichts
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