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Elixir

Elixir

Titel: Elixir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Duff
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nichts zu sehen– außer noch mehr Bäume.
    » Wow«, flüsterte Ben und ich folgte seinem Blick nach oben. Mehrere der Baumstämme waren eigentlich Stelzen, die eine wunderschöne verborgene Hütte aus Holz und Glas weit oben im Geäst trugen. Ich war fasziniert.
    » Du wohnst in einem Baumhaus«, stellte ich fest, zielte mit meiner Kamera auf die Fassade und parierte Sages Einwand, noch ehe er etwas sagen konnte. » Für mich, nicht für Architectural Digest.«
    » Danke«, meinte Sage.
    Wir folgten ihm die Leiter nach oben und traten ein. Die Hütte war nicht groß– die schräg abfallende Decke, in die eine Dachluke eingelassen war, wölbte sich hoch über einem Wohnzimmer mit Holzwänden und einer einfachen Küche. An einer Seite befand sich eine große Feuerstelle, ein paar Bilder hingen an den Wänden und vier Bücherregale waren mit Lesestoff und ein bisschen Krimskrams vollgestopft. Auf einem großen Schreibtisch stand Sages Computer mitsamt Zubehör, aber das war unauffällig und die einzige Konzession an die moderne Welt. Einen Fernseher gab es nicht– stattdessen waren alle Sofas und Stühle auf das riesige dreieckige Fenster ausgerichtet, das vom Boden bis zur Decke reichte und die komplette Giebelseite des Hauses einnahm. Es bot einen unvergleichlichen Blick über den Wald auf ein zauberhaftes, unberührtes Stück Strand. Mit offenem Mund traten Ben und ich ans Fenster.
    » Was für eine Aussicht…«, flüsterte ich. » Ich würde das Haus nie verlassen.«
    » Ja, man muss sich dazu zwingen«, stimmte Sage zu.
    Ich riss den Blick von den heranrollenden Wellen los und sah mich wieder im Zimmer um. Es war gemütlich und heimelig und doch irgendwie unpersönlich. Es erinnerte mich an die Ferienhäuser, die wir gebucht hatten, als ich noch klein gewesen war, in denen winzige, dünn gesäte Details verrieten, dass das Haus eigentlich jemand anderem gehörte. Ich platzte fast vor Neugier– wo war Sage in diesem Haus? Am liebsten hätte ich herumgewühlt, um es herauszufinden.
    » Führst du uns rum?«, fragte ich.
    » Keine Führung. Wir sind nur hier, um ein paar Dinge zu holen.« Er zog einen dicken Wälzer vom obersten Regalbrett. Vom Rücken her sah er aus wie ein unauffälliges Hardcover, aber als Sage das Buch ablegte, erkannte ich, dass es eigentlich ein kleiner Safe mit Zahlenschloss war. Er öffnete ihn und schlug den Buchdeckel auf, unter dem sich ein Stapel Umschläge verbarg, die alle mit unterschiedlichen Namen beschriftet waren: Franklin Hobart, Brian Yancey, Everett Singer, Larry Steczynski… Diesen letzten Umschlag schnappte er sich und riss ihn auf, dann leerte er den Inhalt in sein Portemonnaie und seine Taschen.
    » Larry Steczynski?«, fragte ich verwundert.
    Sage lächelte. » Findest du, das passt nicht zu mir?«
    » Oh, ich finde, es passt perfekt zu dir. Wie viele Identitäten hast du denn so?«
    » Ich bin ein Sammler.«
    Ich legte ihm eine Hand aufs Handgelenk und hielt ihn auf, als er etwas in sein Portemonnaie schieben wollte. » Hat Larry Steczynski eine schwarze American-Express-Karte?«
    » Sieht so aus.«
    » So eine hat nicht mal meine Mom.«
    » Offenbar verkehrt deine Mom nicht in denselben Kreisen wie Larry.«
    » Sage«, rief Ben von der anderen Seite des Zimmers. Er hatte sich hingekniet, um eine gemeißelte Statuette in Augenschein zu nehmen, die auf einem Beistelltisch stand, und seine Stimme klang ganz plötzlich heiser. » Das… das ist ein echter Michelangelo oder?«
    » Ja.«
    » Aber es ist ein Michelangelo!«
    » Yep.«
    » Und dieses Gemälde…« Ben wies mit dem Kopf auf einen Rahmen an der Wand, in dem eine Zeichnung steckte, die irgendwie aussah wie eine engelsgleiche Version von Sage selbst. » Ist das ein echter Rubens?«
    » Ist es.«
    » Sieht aus wie du.«
    » Ausgeprägte Familienähnlichkeit«, erklärte Sage.
    Es schien mir ein guter Moment, um mich kurz davonzustehlen. » Toilette?«, fragte ich.
    Sage zeigte durchs Zimmer auf einen schmalen Gang. Dort war das Bad… und, gleich dahinter im Flur, eine geschlossene Tür. Das musste Sages Schlafzimmer sein.
    Auf Zehenspitzen lief ich den Gang entlang, öffnete leise die zweite Tür und schloss sie ebenso leise wieder hinter mir.
    Wenn Sage hier schlief, dann musste er sich ganz schön reinquetschen. Das Zimmer platzte aus allen Nähten: Leinwände, Staffeleien, Farben, Kreiden… ein paar Bilder waren unvollendet, andere fertig gerahmt. Überall hingen so viele Bilder, dass kaum mehr ein Stück

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