Elizabeth II.: Das Leben der Queen
Schwester Theodora mit dem Markgrafen von Baden verheiratet und mit dem Pädagogen Kurt Hahn, dem bekannten Internatsgründer auf Schloss Salem, befreundet war. Hahn musste die Schule auf Druck der Nationalsozialisten bereits 1933 schließen, konnte sie aber im schottischen Gordonstoun weiterführen; Philip ging mit. Als Elizabeth den griechischen Prinzen, ihren entfernten Verwandten und künftigen Mann, im Juli 1939 traf, hatte er Gordonstoun gerade hinter sich und war in Dartmouth frisch als Kadett eingeschrieben.
Gordonstoun – hat es Philip und seinen Charakter «geschmiedet»? Höchstens in dem Sinne, dass die Botschaft der Härte, die Hahn als pädagogisches Ziel predigte, bei dem Schüler-Prinzen auf fruchtbaren Boden fiel. Wer hätte eine härtere Kinderstube nachweisen können als er? Nicht einmal eine Geburtstagskarte erhielt er von seiner Mutter zwischen seinem achten und fünfzehnten Lebensjahr, und kein Besuch aus seiner verzweigten griechisch-deutschen-englischen Verwandtschaft ließ sich zwischen 1933 und 1939 jemals im schottischen Norden sehen, wo man Philip «abgestellt» hatte. Zwar konnte er «in jedem Land Europas einen Verwandten finden, der mich aufnimmt», was in den Ferien auch geschah. Aber das war kein Ersatz für ein fehlendes Elternhaus. Kein Wunder, dass man dem Herzog von Edinburgh einen ausgeprägten Sinn für den Underdog nachsagt.
So nahm der Gordonstoun-Gründer Kurt Hahn mit seinen Maximen übergroßen Platz im Horizont des jungen Prinzen ein. Die Fenster in den Schlafräumen blieben geöffnet, der Wind pfiff kalt herein, dann um sieben Uhr Wecken und 300 Meter an die Wasserstellen gelaufen zur kalten Dusche, sommers wie winters. «Die Poren sollen sich schließen», pflegte Hahn zu sagen. Mehr als die Haut schloss sich da in Verkrampfung. Philip verlor damals so etwas wie seinen emotionalen Kompass, ein Umstand, den er hinter seinem brüsken, sportlichen, hyperaktiven Wesen dadurch zu erkennengibt, dass er ihn ständig zu verbergen sucht. Bischof Michael Mann, lange Zeit über Dekan an der gotischen St. George’s Chapel auf Schloss Windsor, lieferte in den späten 80er Jahren in einem Gespräch mit dem «Daily Telegraph» eine treffende Charakterskizze Philips: «Seine Kindheitserfahrungen legten ihm nahe, mit Gefühlen vorsichtig umzugehen, sie runter zu schlucken und statt dessen Streikposten um sich aufzustellen, mit Maschinengewehren bewehrt. Niemand wird da durchgelassen, dem er nicht total vertrauen kann.»
Latente Gefühlsabwehr ging schon von Kurt Hahn selber aus. Nie verheiratet, in der Gesellschaft von Frauen unsicher, es sei denn, sie waren mittleren Alters und mütterlich, erklärte der Pädagoge das Thema Frauen in der Erziehung für tabu, jede Diskussion über Sex wurde untersagt. Das waren die Streikposten im Internat Gordonstoun. Selbst Konzerte meidet der Herzog von Edinburgh noch heute, wie sein Sohn, Prinz Charles, Jonathan Dimbleby mitteilte, in dessen Biografie des Prinzen von 1994. «Ich will doch nicht gerührt werden!», lautet Philips Devise in der Wiedergabe durch den Sohn. Charles hasste Gordonstoun, wohin ihn sein Vater abkommandierte. Der Sohn wurde oft regelrecht «gemobbt», wegen seiner Segelohren gehänselt, ohne Respekt vor dem Thronfolger.
Dabei operierte Kurt Hahn von einer pädagogischen Prämisse her, die sehr gut zum britischen Charakter passt: der Erprobung des Heranwachsenden im großen
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der freien Natur, unter hart fordernden Bedingungen, ob in der schottischen Einöde oder zur See bei jedem Wetter. Ergänzend trat freilich der Einsatz im karitativen, sozialen Milieu hinzu. Dies alles war Teil des Curriculum und spiegelte als Erziehungsideal die eher geringe Bewertung des rein Intellektuellen wider, dem Hahn das Praktische mindestens gleichwertig zur Seite stellte. Ganz so, wie es auch die britische Königsfamilie immer gehalten hatte. Es kam dem Schulleiter darauf an, dass der junge Mensch Anforderungen an sich stellen lernte, um die eigenen Grenzen seiner Belastbarkeit auszuloten, sie womöglich zu erweitern, und zwar über eine breite Palette von Aktionen: praktisches Handeln, persönliche Erfahrungen in Natur und Umwelt, sportliche Betätigung, sogar Hobbys, aber eben auch soziales Engagement.
Prinz Philip war ohne Abstriche damit einverstanden. Es erlaubte ihm, sich in einer Welt vielfältiger Herausforderungen zu bewähren und damit Vorbild zu werden für viele, die ähnlich ihren Charakter bilden wollten. Auf Kurt
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