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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kielinger
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Bahn, unter deren Druck die Nachkriegswelt ihre bis dahin größte Verwandlung erfuhr. Das spiegelte sich auch in der Gesetzgebung. Homosexualität unter Erwachsenen wurde nicht mehr unter Strafe gestellt, Abtreibung (unter Auflagen) freigegeben, das Wahlalter auf achtzehn Jahre gesenkt, die Todesstrafe abgeschafft sowie 1968 auch eines der am heftigsten bekämpften Hemmnisse für die künstlerische Freiheit: die Theaterzensur. Ein Aufsehen erregender Prozess eröffnete am 2. November 1960 das freizügige Jahrzehnt, die Verhandlung am Old Bailey über D. H. Lawrence’ Roman «Lady Chatterley’s Lover», der als pornografieverdächtig in England bislang nicht hatte erscheinen dürfen. Die Geschworenen, unter denen zum ersten Mal nicht nur die üblichen Repräsentanten der gehobenen Establishment-Berufe, vom Großgrundbesitzer abwärts, vertreten waren, hob das Verbot auf und gab den Roman frei.
    Dem sexuellen Befreiungssignal folgte in der Mode der Minirock, auch ein Kultfilm wie «Blow Up», das Theater nahm die Aufhebung der Zensur bereits 1967 vorweg, als im Londoner West End das Musical «Hair» Massen an Besuchern anlockte, zu splitternackten Szenen beiderlei Geschlechts, in einer der Vorstellungen auch vor Prinzessin Anne als Zuschauerin. Swinging London wurde zum Mekka für alle, die sich jung und progressiv vorkamen, die Beatles lieferten mit ihrer Musik den Sound der Epoche. Philip Larkin, einer der bekanntesten englischen Lyriker der Zeit, schrieb mit «Annus mirabilis» ein berühmt gewordenes Gedicht mit diesen fünf Eröffnungszeilen:
    Sexual intercourse began
In nineteen sixty-three
(which was rather late for me) –
Between the end of the Chatterley ban
And the Beatles’ first LP.
    An Skandalen war England immer reich, doch überragte in diesem Genre einer alle übrigen – John Profumo, Kriegsminister der RegierungMacmillan, dem das Callgirl Christine Keeler zum Verhängnis wurde. Dem Premierminister Harold Macmillan indirekt auch, der im Oktober 1963, gesundheitlich angeschlagen, die Zügel an Alec Douglas-Home übergab. Der hielt sich aber nur noch ein Jahr, bis 1964 nach dreizehn Jahren konservativer Regierungen die Macht an Labour überging, mit Harold Wilson als dem ersten sozialdemokratischen Premier in der Thronzeit der Queen.
    Der gesellschaftlichen Befreiung entsprach eine Lockerung in Radio- und Fernsehsendungen. Skepsis, Satire und das
anything goes
fanden Einzug und lösten alte Berührungsängste ab, denen gerade die Königsfamilie lange Zeit über ihre Unantastbarkeit verdankt hatte. Bühnenrevues wie «Beyond the Fringe», TV-Satireserien wie «That Was the Week that Was», am späten Abend ausgestrahlt (wenn die Queen hoffentlich schon zu Bett gegangen war), definierten das Jahrzehnt und machten Furore, weil jetzt auch die Monarchie ihr Fett abbekam, freilich noch nicht in Form jener Verunglimpfung, wie sie fünfzehn Jahre später gang und gäbe werden sollte. Noch überwog der freundlich belustigte Ton. Doch schon «Monty Python’s Flying Circus», die Anti-Establishment-Satire par excellence, schlug ab 1969 eine schärfere Gangart an.
    Der erste satirische Sketch über die königliche Familie kam im März 1963 ins Fernsehen, und man wird nicht überrascht sein zu erfahren, dass ausgerechnet Prinzessin Margaret, das schelmische, aufmüpfige Wesen, die Countess of Snowdon, den Anstoß dazu gab. Margaret hatte den Fernsehproduzenten Ned Sherrin auf einer Party getroffen und angeregt, er sollte doch einmal diesen schrecklich kratzfüßigen Stil aufspießen, in dem die Medien bis dahin noch immer über die Royals zu berichten pflegten. «Why don’t you do something about the ridiculous way they report us?», stichelte sie. Lächerlich – das Stichwort. Mit «The Queen’s Departure» kam die Antwort. Da sah man eine Barkasse mit der königlichen Familie an Bord allmählich in einem See versinken, doch je bedrohlicher die Gefahr, desto ehrfürchtiger wurde die Stimme, die den Hofberichterstatter Richard Dimbleby nachahmte, die Silberzunge der Zeit bei allen königlichen Anlässen. Der Höhepunkt wird erreicht, als die Nationalhymne erklingt und die Stimme in ihrer pompösenSuada intoniert: «Und nun, strahlend lächelnd, schwimmt die Königin um ihr Leben. Ihre Majestät trägt ein Seidenensemble in Kanariengelb. Vielleicht können die Lippenleser unter Ihnen ausmachen, was Prinz Philip gerade zu dem Kapitän der Barkasse sagt, während diese untergeht.» Der Humor war harmlos, doch

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