Elizabeth II.: Das Leben der Queen
in der Rückschau von beklemmender Metaphorik, die anno 1963 freilich noch gar nicht begriffen werden konnte. Eine Königsfamilie im Untergang – das wurde erst 1992 und dann wieder 1997 zum Gesprächsthema. 30 Jahre früher machte die liebevolle Satire die Queen eher noch populärer. Jedenfalls waren die 60er Jahre ein Höhepunkt ihrer Ära, auch wegen der gewachsenen Familie, obwohl bereits viel «Tageslicht in die Magie» (Bagehot) eingedrungen war.
Langsam aber sicher begann sich die Insel – eine Entwicklung, die alle Industriegesellschaften durchmachten – in die Fernsehgesellschaft von heute zu verwandeln. Das bedeutete, dass viele der Fragen, die sich um Reformen der Monarchie, um ihre Kraft zur Veränderung rankten und um den Streitpunkt, wie weit man dabei der Moderne entgegenkommen sollte, sich auf die Medien konzentrierten und unter denen an erster Stelle auf das Fernsehen. Dabei tat sich sogleich ein Dilemma auf, das schon Malcolm Muggeridge in seinem Essay in der «Saturday Evening Post» angesprochen hatte als ein den klügeren Hofberatern wohlvertrautes Problem: wie man die Monarchie sowohl populär als auch respektiert erhält,
soap opera
und Würde in Einklang bringt. Argumente aus dem Jahr der Krönung wurden entstaubt, als der Hof von einer möglichen «Vulgarisierung» durch das Fernsehen gesprochen und selbst Philip anfänglich gegen eine TV-Übertragung der Feierlichkeiten in der Westminster Abbey argumentiert hatte. Und wie der Erzbischof von Canterbury gewettert hatte gegen diese «massenproduzierte Form der Unterhaltung, potentiell eine der größten Gefahren für die Welt»!
Jetzt konzentrierte sich die Debatte nicht so sehr auf die Gefahren für die Welt als auf die für das Königshaus, wenn man dieFenster zur Außenwelt weiter und weiter öffnen würde. Philip hatte umgelernt und schälte sich in dieser Frage als Anwalt des Neuen heraus. Er stand durch seine vielfältigen Tätigkeiten als Sponsor gemeinnütziger Unternehmen weit mehr mit der Außenwelt in Kontakt als seine Frau und besaß besseren Einblick in die Fluktuationen der Zeit als sie. Paradoxerweise lernte aber auch die Queen gerade durch das Fernsehen Lebenswelten kennen, die sie vor der TV-Zeit nie zu sehen bekommen hatte. Ende der 60er Jahre war sie bedeutend besser auf dem Laufenden als noch zur Zeit ihrer Krönung im Jahr 1953. Und sie verstand, dass man die Frage nach der Beziehung zwischen den Menschen und der Krone nicht mit den alten Argumenten beantworten durfte. Erst wenn sie sich von solchen Wahrheiten überzeugt und sich zu ihnen durchgerungen hat, kann ihre Umgebung überhaupt in Aktion treten. Davor läuft nichts.
Es traf sich, dass man endlich den «abominable No-man», Commander Sir Richard Colville, in Pension geschickt hatte. Er wäre nicht mehr der Mann für die neue Zeit gewesen. In seine Stelle rückte 1968 der 38 Jahre alte Australier William Heseltine auf, der dem Hof aufgrund seiner Erfahrungen in der australischen Politik empfohlen worden war und bereits seit 1965 als Colvilles Stellvertreter das Geschäft der (miserablen) Hofkommunikation hatte studieren können. Heseltine lernte schnell – vor allem, dass man die Medien gezielt einbeziehen müsse, anstatt sie auszusperren. Beide, Colville wie Heseltine, waren Kinder ihrer Zeit – Colville das einer von Ehrfurcht geprägten, die auf Abstand hielt, Heseltine das einer stärker auf Integration bedachten, die den Graben zwischen der Krone und den «Untertanen» zu überbrücken wünschte. Mit dem Commander wurden gleich etliche weitere Figuren aus dem
inner circle
der abgehobenen Tweed-Träger, wie Altrincham sie abschätzig bezeichnet hatte, pensioniert.
Heseltine, von Prinz Philip unterstützt, hielt dafür, dass man bei der königlichen Familie das öffentliche Leben von dem privaten nicht so rigoros trennen dürfe, wie das bisher der Fall gewesen war. Wenn man die Familie nur in ihrer öffentlichen Rolle über die Bühne ziehen lasse, würde sie immer gleich aussehen, «lauter eindimensionaleFiguren». Für die Queen eine höchst unglückliche Lage: Sie wirke, so argumentierte der neue Pressesprecher, wie in einer anderen Welt lebend, «fern, verstaubt und reich». Eigentlich besann sich der Australier nur auf die Taktik der Herzogin von York aus den 30er Jahren, aus der Frühzeit der Prinzessin Elizabeth: Wie deren Mutter favorisierte auch er gelenkte Kommunikation, sanfte Propaganda – sie damals mit Hilfe der Bilderbücher, er mit dem
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