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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Dort versteckte ich Richards Buch. Ich zog ein kleines Brevier heraus und sicherte dann die Schublade. Dann hängte ich die Kette wieder um, steckte sie in mein Mieder und verließ das Zimmer, um zu Catherine Gordon zu gehen.
    Ich zog mir die Kapuze meines Umhangs tief ins Gesicht, als ich über die Palasthöfe huschte, sodass mich niemand erkannte. Auf diese Weise gelangte ich bis zu dem Kiesweg am Ufer, an dem sie saß. Es war ein kalter Tag. Über der Themse waberte grauer Nebel, und es war niemand dort bis auf ein paar Fährleute und die kreischenden Möwen.
    »Darf ich?«, fragte ich und schreckte Catherine Gordon ebenso aus ihren Gedanken, wie Harry zuvor mich aufgeschreckt hatte.
    Sie sprang auf. »Meine Königin   ...«
    »Schhh. Alarmieren Sie nicht die Wachen! Setzen Sie sich bitte wieder!«
    Sie kam meiner Bitte nach, und ich nahm neben ihr auf der Bank Platz.
    »Ich habe Ihnen ein Geschenk mitgebracht«, sagte ich und reichte ihr das Brevier, das ich unter meinem Umhang verborgen hatte.
    »Ich danke Euch, meine Königin, doch Ihr gabt mir bereits das Stundenbuch.«
    »Wollen Sie es nicht lesen?«, fragte ich dringlich.
    Sie wirkte zunächst erstaunt, doch dann blickte sie den kleinen Band in ihrer Hand an.
    »Nur zu, meine Liebe!«, drängte ich.
    Sie neigte den Kopf über das Brevier, und es fiel in ihren Händen auf. Sogleich hielt sie den Atem an und stieß einen leisen, schmerzlich süßen Schrei aus. Tränen glitzerten in ihren Wimpern, als sie wieder zu mir sah. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, geliebte Königin   ...«
    »Es gibt nichts zu sagen, Catherine.« Ich tätschelte ihre Hand.
    »Ich hatte solche Angst, dass ich sein Gesicht vergesse«, flüsterte sie mit bebender Stimme.
    Das Herz zog sich mir in der Brust zusammen. Diese Angst kannte ich. Sie war vor lange Zeit die meine gewesen. »Nun sollten Sie es lieber wegstecken«, brachte ich mühsam heraus. »Es darf niemand erfahren, was Sie da haben.«
    »Noch nicht, bitte! Ich möchte es noch einen Moment ansehen. Darf ich?«
    Ich schaute mich um. Die Fährmänner waren fort, und obwohl der Wind aufgefrischt hatte, waberte nach wie vor Nebel. Dämmerung senkte sich über das Land und schirmte uns ab. Ich nickte.
    Catherine streichelte das Bildnis zärtlich, als berührte sie das Gesicht ihres Gemahls, und schluckte angestrengt. »Wie   ... wo   ... darf ich erfahren   ...« Ihre Stimme brach.
    »Mylord ließ diese Miniatur von Perkin kurz nach Ihrer Vermählung anfertigen. Sie wurde uns von einem seiner Spione aus Schottland geschickt, und Mylord bewahrte sie in seinem Merkbuch auf.«
    »Aber wird er dann nicht   ...«
    »Er wird denken, dass sein Affe sie gefressen hat. Ganz gewiss«, sagte ich und schmunzelte.
    Catherine lachte plötzlich glockenhell, und mir fiel auf, dass ich sie noch nie lachen gehört hatte. Dann blickte sie wieder zu der Miniatur und wurde ernst. »Es ist beinahe, als lebte er wieder«, flüsterte sie. »Alles, was mir jetzt noch von ihm bleibt, ist dies und   ...« Sie öffnete ihre Hand.
    Ich sah hinab. Eine Münze schimmerte im verblassenden Tageslicht, die ich aufnahm.
    Es war eine der vielen Silbermünzen, wie sie für die Weiße Rose in Flandern gepresst worden waren, mit dem Profil eines gekrönten Hauptes, umkränzt von den Worten König Richard IV. Ich drehte die Münze um und sah, dass auf der Rückseite ein Gebet war:
    O Mater Dei, memento mei. O Mutter Gottes, gedenke meiner. Darunter hatte jemand eingeritzt: Lang lebe Perkin! Ich war aus Tournai.
    O, Mutter Gottes, gedenke meiner!
    O, Mutter Gottes, gedenke meiner!
    Ich schloss die Augen.
    Erinnerungen sind das Einzige, was das Leben uns dauerhaft schenkt.
    Lange Zeit saßen wir schweigend beisammen, und der heulende Wind schien von Tausenden Stimmen erfüllt zu sein. Schließlich sagte ich sehr leise: »Mit den Jahren stirbt die Wut, Catherine. Es ist der Verlust, der uns auf immer begleitet.«

KAPITEL 27
    Ein Pfad im Zwielicht · 1500
    Z UR BEGRÜSSUNG DES neuen Jahrhunderts gab Henry das prächtigste Fest seiner Regierungszeit. Hunderte von Kerzen brannten auf den in weißes Tuch gehüllten Banketttischen, und Fackeln erleuchteten die große Rufus-Halle, als wir hereinkamen und unsere Plätze an dem Steintisch auf der Empore einnahmen. Ausnahmsweise saß ich neben Arthur.
    Die Adligen glitzerten in Gold, Juwelen und farbenfrohen Gewändern aus Samt und Seide; sie erhoben sich und empfingen uns mit lustvollem Jubel und überschwänglichen

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