Elizabeth - Tochter der Rosen
unbedarft! Hat irgendjemand die Wahl, wenn ›diese strenge Dirne‹ in der Nähe ist?«
Sie sagte es leichthin und erwartete wohl, dass ich lachte, doch das konnte ich nicht. Mich plagten Schuldgefühle. »Cecily, es lastet mir bis heute auf der Seele. Weil ich dir gegenüber diese Bezeichnung erwähnte, konntest du Margaret Beaufort davon erzählen, und der arme Mann wurde des Verrats angeklagt und so schwer bestraft, dass er all seinen weltlichen Besitz verlor.«
Sie guckte mich verwirrt an. »Ich habe es ihr nicht erzählt ...«
»Wie erfuhr sie es dann?«
»Ein Nachbar hat ihn verraten. Bei seiner Rückkehr fragten die Leute ihn, ob er dich gesehen hat, und er sagte, ja, und er hätte mehr mit dir gesprochen, wäre er nicht von ›der strengen Dirne‹ weggescheucht worden. Elizabeth, ich schwöre, so war es!«
Solch eine simple Erklärung war mir nie in den Sinn gekommen. Ich schämte mich schrecklich, weil ich Cecily beschuldigt hatte, ohne ihr Gelegenheit zu geben, sich zu erklären. Mein Leben lang hatte ich es vermieden, laut zu sagen, was ich dachte, sofern es unerfreulich war. Diesmal hatte mein Fehler uns so vieles gekostet. Ich umarmte meine Schwester. »O, Cecily, ich bin froh, dass du hergekommen bist und wir darüber gesprochen haben! Jetzt endlich kenne ich die Wahrheit. Kannst du mir verzeihen?«
Sie drückte mich. Dann senkte ich meine Stimme zu einem Flüstern. »Ich dachte, du magst Henrys Mutter.«
»Nein«, flüsterte Cecily. »Sie mochte mich, weil ich Richard dafür hasste, dass er mich mit Scrope verheiratete, und ich sah nicht ein, warum er dich nicht stattdessen mit ihm vermählte. Welles begehrte mich, deshalb arrangierte sie alles mit ihm.«
Ich lächelte reumütig. Die Tage im Kirchenasyl fielen mir wieder ein. »Mir ist unbegreiflich, dass wir uns nie versehentlich getroffen haben.«
»Was meinst du?«
»Ich hatte meinen eigenen Thomas. Auch er war einer unserer Wachen, und wir trafen uns bei der Steinbank am Teich. Henry hätte ihn fast hingerichtet. Ich konnte eine Begnadigung für ihn erwirken, leider jedoch nicht für seinen Bruder ...« Ich blinzelte das Bild von Humphrey fort, der den Verrätertod starb.
»Wer war er?«
»Das bleibt besser geheim, Cecily. Um seinetwillen, wie du gewiss verstehst.«
»Was wurde aus ihm?«, fragte sie nach einer kurzen Pause.
»Er heiratete eine andere und bekam viele Kinder, wie ich höre.«
Thomas hatte mir einen Brief in das kleine Brevier geschrieben. Es war nicht viel, aber genug. Er dankte mir für das Geschenk seines Lebens und sagte, alles sei gut, nur gebe es manche Dinge, die das Herz nie loslassen könnte. »Er war ein guter Mann. Mit ihm wäre ich glücklich gewesen.« Ich wandte den Blick zum Fenster, hinter dem die Welt lärmend vorüberzog, ohne mich zu bemerken.
»Ach, Schwester, es tut mir so leid!« Sie tupfte sich neue Tränen ab.
»Muss es nicht, Cecily«, entgegnete ich. »Das Schicksal bestimmt unser Leben, und ich muss Buße tun.«
»Wofür? Was hast du dir je zuschulden kommen lassen, das nach Buße verlangt?«
»Ich liebte meinen Onkel.«
Cecily ergriff meine Hand. »Er war ein guter Mann, Elizabeth. Ich habe für ihn gebetet.«
Ich seufzte. »Erzähl mir, Cecily, wie ist es, mit dem vermählt zu sein, den man liebt?«
»Jeder Tag ist ein Segen«, antwortete sie verträumt, »und ein Wunder.«
~
Als wir im Sonnenzimmer von Richmond Karten spielten, kam ein Bote herein und fiel vor uns auf ein Knie.
»Sire, Hoheit, die Prinzessin von Spanien traf am zweiten Oktober in Plymouth ein«, sagte er.
Henry grinste breit. Seit Henry V. Frankreich erobert und die Tochter des französischen Königs geheiratet hatte, hatte es keine solch bedeutende Vermählung für England mehr gegeben. Arthur heiratete nicht nur die Tochter des mächtigsten Monarchen Europas; sie brachte auch noch eine Mitgift mit, die aus Karren voller Juwelen, Tellern, Gobelins, feinen Kleidern und wunderschön geschnitzten Betten bestand.
»Du sollst die Ehre haben, die Prinzessin zu begrüßen«, sagte Henry zu Harry, »und sie auf ihrem Einzug nach London zu begleiten.«
Harry strahlte, weil ihm so eine wichtige Aufgabe übertragen wurde.
Am nächsten Tag ritt Harry mit einer Eskorte von Adligen in dicken Umhängen gegen den strömenden Regen zum Tor hinaus, um Katharina von Aragon zu treffen und zum Lambeth Palace zu eskortieren. Arthur verließ seine Burg in den Waliser Marschen, um sich ihnen anzuschließen, und Henry und
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