Elizabeth - Tochter der Rosen
Heute Morgen ist der Duke of Gloucester in Begleitung Adliger nach Westminster Hall gegangen und hat auf dem Marmorstuhl Platz genommen. Von diesem sechsundzwanzigsten Juni an ist König Richard unser Herrscher.«
Mein Zittern mochte bislang für andere unsichtbar gewesen sein; jetzt jedoch schüttelte es meinen Körper heftig. Angestrengt hob ich eine Hand an meinen Kopf, denn mir wurde schwindlig.
»Ich bereite Euch auch einen Trunk wie für Eure arme Mutter.« Er rief Cecily zu uns, damit sie meine Hand hielt, während er seine Kräuter und Tinkturen auspackte.
Mir schwindelte, als hätte ich mich tausendmal um mich selbst gedreht, und Übelkeit überkam mich. Ich schloss die Augen. Wieder hatte ich das Gefühl, in einen dunklen, reißenden Strom gezogen zu werden. Wohin er mich treiben würde, wusste ich nicht und wollte es mir auch nicht ausmalen.
~
Nach einer Woche Pflege und reichlich Schlaftrunk war Mutter wieder sie selbst, lief im Kapitelsaal auf und ab und schwor, sich an Richard III . zu rächen.
»Ich werde ihn bei lebendigem Leibe ausweiden, wie es einem Verräter gebührt! Und Buckingham werde ich genauso ausweiden. Alle, die uns verletzt haben, jeder, der sich hieran beteiligt hat, soll die volle Strafe für Hochverrat erhalten. Wie können sie es wagen, meine Söhne zu übergehen!«
»All diese Lügen«, sagte ich traurig. »Warum sind die Menschen so grausam? Wie können sie sich solche Märchen ausdenken?« Ich blickte zu meiner Mutter und wartete auf ihre Bestätigung, doch sie wurde nur langsamer, ohne etwas zu antworten.
»Es sind doch Lügen, nicht wahr? Sind es Lügen, Mutter?«
»Natürlich«, antwortete sie, nur stimmte etwas an ihrem Tonfall nicht. Dann ging sie zur Tür des Kapitelsaals, öffnete sie und rief der Amme, die mit den Kleinen draußen im Garten spielte, eine Anweisung zu. Aus dem Klostergang hallte Cecilys Lachen herüber: Sie alberte mit den Wachen herum. Für einen kurzen Moment sehnte ich mich nach Thomas, den ich seit einer Woche nicht gesehen hatte.
Eine unerklärliche Unruhe überfiel mich, und ich wandte mich wieder zu meiner Mutter um. »Es sind Lügen, nicht wahr?«
»Wo ist meine Brosche mit den Rubinen und Diamanten? Du weißt schon, die pfauenförmige«, entgegnete sie und wühlte in ihren Schmuckkästen. »Ich bin mir gewiss, dass ich sie letzte Woche hier hineingelegt habe. Hat sie jemand rausgenommen?«
Plötzlich begriff ich alles. Ich wusste nun, dass meine Mutter etwas verheimlichte. Mir wurde eiskalt, als ich von den Binsen auf dem Boden aufstand, meine Mutter beim Arm packte und sie zu mir drehte.
»Allmächtiger Gott, es ist wahr, nicht?«, rief ich aus und nahm meine Hand von ihrem Arm.
Meine Mutter starrte mich stumm an.
»Mein Vater beging also Bigamie?«, schrie ich. »Und du hast es die ganze Zeit gewusst? Wir sind alle nicht eheliche Kinder – nicht eheliche! « Entsetzt sah ich sie an. »Wie konnte er es so lange verbergen?« Wieder antwortete meine Mutter nicht. »Er konnte es nicht, oder? Clarence hatte es herausgefunden, und deshalb musste er sterben, habe ich recht? Antworte mir, Mutter! Ich habe ein Recht, es zu erfahren!«
Seufzend klappte meine Mutter ihren Schmuckkasten zu. »Nun gut, ich nehme an, das hast du.«
Wir standen in der Raummitte, und mit jedem Wort, das sie sprach, schien das Tageslicht fahler zu werden.
»Bischof Stillington, der Mann, der deinen Vater und dieses ... Weibsbild vermählte, brach sein Schweigen. Er erzählte es Clarence, genau wie ich es ahnte. Möge er in der Hölle verrotten!«
»Warum hat Clarence es nicht Warwick erzählt?« Ich versuchte nach wie vor zu begreifen, dass wir alle in Sünde geboren waren, wie Gloucester behauptete. »Warum hat Warwick es nicht vor Barnet gegen uns verwendet?«
»Warwick wusste es nicht. Bis dahin war er tot. Stillington hat es Clarence erst erzählt, als Clarences Frau und Kind starben und er die Mär verbreitete, ich hätte sie vergiftet.«
»Hast du?« Ich wusste nicht mehr, was ich glauben sollte.
Meine Mutter warf mir einen angeekelten Blick zu. »Nein, doch ich hätte mit Freuden Stillington umgebracht, auf dass es ein für alle Mal aus der Welt wäre. Leider war dein Vater dagegen.« Sie lief wieder auf und ab. »Er schickte Stillington für drei Monate in den Tower und ließ ihn nach einer Befragung wieder frei. Dein Vater war stets zu nachgiebig. Er fiel auf denalten Narren herein, sagte, Stillington habe ihm versprochen, das Geheimnis nie
Weitere Kostenlose Bücher