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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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wieder kürzer wurden und sich die Vögel in Schwärmen zusammenfanden, um gen Süden zu ziehen, beobachtete ich sie sehnsüchtig. Frei zu sein, überall hinzugehen, wo man will   ...
    Ich erinnerte mich nicht mehr, wie sich Freiheit anfühlte. Manchmal schien es mir, als befände ich mich schon mein Leben lang im Kirchenasyl.
    Eines Herbstabends, draußen regnete es in Strömen, wurde an die Tür geklopft. Ich öffnete und stand einer Benediktinernonne gegenüber. »Dr. Argentine schickt mich«, flüsterte sie. Ich öffnete die Tür weit, um sie einzulassen. Dr. Argentine war der langjährige Arzt meines Bruders Edward.
    Meine Mutter stand vom Tisch auf, wo sie mit Cecily bei einem Würfelspiel gesessen hatte.
    Die Nonne machte einen Knicks vor ihr. »Euer Gnaden, Dr. Argentine möchte Euch wissen lassen, dass er Euren Sohn, König Edward, nicht besuchen kann. Anscheinend weiß niemand, wo er ist.«
    »Aber er ist im Tower«, entgegnete Mutter unsicher. »Er wurde schon vor einer Weile vom Bischofspalast dorthin gebracht.«
    »Ja, und Dr. Argentine hatte ihn bereits mehrfach im Tower besucht, bis zu diesem Monat. Als er gestern hinging, wies man ihn jedoch ab. Zum letzten Mal wurden die Prinzen im August gesehen, als König Edward und sein königlicher Bruder wie einige Male zuvor im Tower-Garten mit Pfeil und Bogen schossen.«
    Die Nonne zögerte, ehe sie fortfuhr: »Dr. Argentine bittet mich, Euch zu sagen, dass König Edward an einer Kieferentzündung litt, die ihm starke Schmerzen bereitete und sein Wohlbefinden erheblich trübte. Er hat täglich gebeichtet, weil er erwartete, nicht mehr lange zu leben.«
    Meine Mutter rang hörbar nach Luft und musste sich mit beiden Händen auf dem Tisch abstützen. Cecily und ich eilten zu ihr und halfen ihr, sich zu setzen. »Erwartete, nicht mehr lange zu leben?«, wiederholte sie.
    Es kamen keine weiteren Nachrichten. Das Warten wurde beständig unerträglicher, und die mit ihm einhergehende Furcht vor dem Schlimmsten bedrückte selbst die Kinder. Meine Mutter saß allein am Tisch, spielte Würfel, ohne recht bei der Sache zu sein, und ich blickte gedankenverloren vor mich hin.
    Thomas kehrte nicht zurück. Vor lauter Angst und Sorge um ihre Söhne lief meine Mutter umso rastloser im Raum auf und ab, während ich mich auf den Betstuhl zurückzog und inbrünstig für meine Brüder und für Thomas betete. War die Verschwörung erfolgreich gewesen oder nicht? Waren sie alle sicher?
    Ich kniff meine Augen fest zusammen und sprach im Geiste meine Gebete. Worum genau ich Gott bitten sollte, wusste ich nicht; also überließ ich es Ihm.
    ~
    Bei allen Veränderungen blieb eines gleich, und dies war die stete Prozession von König Richards Gesandten, die meine Mutter baten, das Kloster zu verlassen und an den Hof zurückzukehren.
    »Warum?«, fragte sie verächtlich. »König Richard hat meine Söhne eingekerkert, wozu braucht er da noch meine Töchter? Ist das Kloster nicht Gefängnis genug für sie?«
    Das Kirchenasyl hat meine Mutter mehr gekostet als uns andere, dachte ich, als ich sie ansah. Ihre vielen glitzernden Juwelen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie keine Schönheit mehr war. In den Monaten der Enge und Abgeschiedenheit hatte sie einen Schneidezahn verloren und war dick geworden. Um ihre Blässe zu verbergen, trug sie zu viel Rouge auf den Wangen, und ihr einst berühmtes goldenes Haar war so stark ergraut, dass sie es färben musste. Selbst ihre Wimpern mussten mit Kohlestift geschwärzt werden, weil sie schütter geworden waren.
    »Dame Grey«, sagte der Gesandte, »König Richard und Königin Anne sorgen sich um Eure Töchter und Eure Kleinen. Die Entbehrungen des Klosters sind ungesund für sie. Wenn Ihr erlaubt, dass Elizabeth, Cecily, Anne, Katherine und Bridget an den Hof kommen, verbürgt König Richard sich für deren Sicherheit. Er verspricht, jeder von ihnen eine angemessene Mitgift zu geben und respektable Ehemänner für sie zu finden.«
    Mein Herz schlug schneller. Respektable Ehemänner! O gütiger Gott, falls Thomas wohlauf und so gewillt war, wie ich es glaubte, bestand eine Chance auf Glück, auf Liebe   ...
    Die scharfe Stimme meiner Mutter riss mich jäh aus meinen Gedanken. »Niemals! König Richard wird ihre toten Leiber selbst hier herauszerren müssen. Was einem Mann ohne Gewissen nicht schwerfallen wird, nicht wahr?« In einem blauen Samtkleid mit Hermelinbesatz stand sie betont aufrecht an der Mittelsäule des achteckigen

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