Elizabeth - Tochter der Rosen
Ludwig XI . eingeredet hatte. Ihn hatte Richard beleidigt, als er während des Frankreichfeldzugs seinen Bestechungsversuch zurückgewiesen hatte. Nun beschützte Frankreich Tudor mit dem Versprechen, ihn zu unterstützen. Richards Spione hatten Nachricht gesandt, dass er England im Frühjahr mit einer französischen Armee im Rücken überfallen wollte.
London ragte finster vor dem Horizont auf. König Richard zog die Zügel fest an und schaute nach vorn. Hinter ihm hielt der königliche Zug stumm an. Ich verstand, dass er sich wappnen musste. Er hatte London stets gehasst und es deshalb früher schon vermieden, an den Hof meines Vaters zu kommen. Ihm war wohler, wenn er übers Moor galoppieren und den Wind auf seinem Gesicht spüren konnte. Und seine Freunde waren Männer wie er, die offen sagten, was sie dachten, anstatt ihre Lügen hinter einem Lächeln zu verbergen. Ich sah zur Stadtmauer, den Türmen, den steilen Dächern und Brücken, dem mäandernden Fluss, auf dem sich Boote, Kähne und Schiffe drängelten, und zu dem schlammgrauen Himmel, der über allem hing.
An diesem Tag schien die Sonne nicht auf London.
~
Königin Anne verwelkte zusehends. Zart wie sie war, besaß sie nicht die Kraft, die Krankheit abzuwehren, die in ihr wütete. Ich saß in ihrem Schlafgemach im Westminster Palace, wartete, dass ich ihrer Mutter, der Countess, zu Diensten sein könnte, und wusste ohne jeden Zweifel, dass Königin Anne jedweden Lebenswillen verloren hatte. Sie schien sich den Tod zu wünschen, ihn als willkommene Erlösung herbeizusehnen. Doch wenn die Königin starb, was wurde aus dem König?
Eine Unruhe im Vorzimmer kündigte König Richards Kommen an. Cat und ich erhoben uns und machten einen Knicks, doch er nahm uns gar nicht wahr. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt der zierlichen Gestalt im Bett, die nun glücklicherweise schlief. Ich beobachtete, wie er durch das Zimmer auf sie zuging. Er war in schlichtes schwarzes Wolltuch gewandet, ohne Gürtel oder Überwurf. Das eng anliegende Hemd und die lange Hose – frei von Besatz oder Ziernähten – umhüllten seinen muskulösen Körper. An Schmuck trug er nur den Saphir, den seine Königin ihm geschenkt hatte, einen Anstecker in der Form eines goldenen Greifs, sowie seinen Siegelring. Der König war gespenstisch blass, und seine eingefallenen Wangen bewirkten, dass die Knochen darüber umso deutlicher hervortraten. Sein Schmerz hatte tiefe Falten in die Winkel seiner Augen und seines Mundes gegraben.
Die Countess überließ ihm den Stuhl neben dem Bett. Nachdem König Richard sich hingesetzt hatte, ergriff er die Hand der Königin. In meiner Hilflosigkeit wollte ich aufschreien, weil ich es nicht ertrug, ihn so zu sehen. Doch mir blieb nichts anderes, als zu beten ... und wie ich betete! Während die Glocken die Stunden schlugen, die Kerzen flackerten und die Mönche sangen, betete ich für die liebliche Königin – um einen Trunk, einen Zauber, irgendetwas, das sie rettete.
Tränenblind blickte ich in den wolkenverhangenen Himmelauf. Ein silbriger Blitz kam und ging und erleuchtete die dunklen Wolken für einen kurzen Moment. Ich wusste, dass es nur ein Blitz war, aber für mich fühlte es sich wie ein Geschenk Gottes an, denn er machte mir klar, dass ich nicht hilflos war, dass es immer etwas gab, das ich tun konnte. Wenn die Königin genas, könnte König Richard durchhalten und sein großes Werk, die Welt zu verändern, fortsetzen. Königin Anne ergab sich in ihr Sterben, weil sie nichts von dem Leiden ihres Gemahls wusste. Würde ich sie dazu bringen zu erkennen, dass ihr Tod auch seiner wäre, fand sie vielleicht einen Weg, wieder gesund zu werden.
Ich musste unbedingt mit der Königin reden, und die Gelegenheit dazu ergab sich am nächsten Tag. Die Countess war gegangen, um sich auszuruhen, und hatte mir die Aufsicht über das königliche Gemach übertragen. Also schlich ich mich auf ihren Stuhl, schaute mich im Zimmer um, wo außer mir nur eine schläfrige Dienerin war, die sich leise umherbewegte, hier ein Kissen glatt strich, dort eine ausgebrannte Kerze wechselte. Ich nahm das Tuch aus der Rosenwasserschüssel neben dem Bett der Königin, wrang es aus und tupfte ihr die feuchte Stirn ab. Anschließend reichte ich der Magd die Schale mit dem Wasser und dem Tuch und bat sie, frisches Rosenwasser zu holen. Sie nickte und verließ leise das Zimmer.
Königin Anne regte sich und flüsterte stöhnend.
»Mylady Königin, darf ich sprechen?«,
Weitere Kostenlose Bücher