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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Spaziergang durch den in voller Sommerblüte stehenden Garten. Wir gingen bis zum Lustgarten nahe dem runden Turm und blickten hinunter zu dem Fluss und den elegant gestutzten Hecken. »Weißt du, welcher Tag heute ist? Ich habe das Datum aus dem Blick verloren.«
    »Der zweiundzwanzigste August«, antwortete ich.
    »Wie schnell die Zeit vergeht!«, sagte die Königin traurig. Sie blickte gen Himmel, und ich tat es ihr gleich. Der Himmel war türkisblau, ohne die kleinste Wolke. »Solch ein schöner Tag!«, flüsterte sie.
    Ich betrachtete die betrübte, kinderlose Königin in ihrem Trauergewand. »Ihr solltet im Bett sein, Mylady. Der Wind ist kühl, und es wird dem König nicht gefallen, dass Ihr hier draußen seid.«
    »Der Wind mag kühl sein, aber die Sonne ist warm.« Die Königin lächelte mich an. »Sorg dich nicht, Kind! An solch einem schönen Tag kann ich doch nicht im Bett liegen.« An dem steilen, grasbewachsenen Abhang blieb sie stehen, weil sie außer Atem war. »Wir warten hier auf Mylord.«
    Diener trugen einen hochlehnigen Stuhl herbei, den sie neben einer Steinbank an einem Rosenbeet aufstellten, bevor sie sich diskret zurückzogen, sodass sie außer Hörweite waren, aber noch zur Stelle, sollten wir weitere Wünsche haben. Während ich der Königin auf den Stuhl half, schweifte ihr Blick über den Garten, dessen Anlage sie selbst im vergangenen Sommergeplant und überwacht hatte. Nun war er eine wahre Pracht. Rosen verströmten ihren süßen Duft, Vögel feierten den herrlichen Morgen mit ihrem Gesang: Aus den Bäumen und dem Wald ertönten die Lieder der Ringeltauben, Stelzen und Lerchen, begleitet vom rhythmischen Bäh-Bäh der Schafe auf den Weiden außerhalb der Burg. Ein gelber Schmetterling flatterte vorbei, und die Königin blickte ihm mit großen Augen nach, bis er hinter der Hecke verschwand. Unten, nahe dem Flussufer, glitten zwei weiße Schwäne durch das jadegrüne Wasser. Beim Anblick der Vögel, die ein Leben lang zusammenblieben, trat ein wehmütiges Lächeln auf die Züge der Königin.
    Ich stand stocksteif und beunruhigt da. Die Ärzte hatten vor jeder Anstrengung gewarnt, und König Richard würde gewiss verärgert sein.
    »Gutes Kind, den König überlass nur mir!«, sagte die Königin, die meine Gedanken lesen konnte, »und mir geht es gut. Es ist sogar recht warm für August. Die Luft bekommt mir. Nun setz dich!«
    Widerstrebend wickelte ich den pelzgesäumten Samtumhang fester um die Königin, strich die Röcke meines grünen Seidenkleides glatt und nahm auf der sonnenbeschienenen Bank Platz. »Die Ärzte sagen etwas anderes, Mylady. Sie sagen, dass die Luft schlecht für Euer Fieber ist.«
    »Ach, diese Ärzte wollen mir am liebsten alles verbieten! So, wie sie reden, möchte man glauben, ich wäre schon tot   ...« Die Königin verstummte kurz. »Nein, Wut ist sinnlos. Sie meinen es gut, doch sie können mir nicht helfen. Einzig Gott kann irgendeinem von uns helfen.« Sie blickte zu ein paar Amseln auf, die zankend über uns hinwegzogen. »Und an diesem wundervollen Ort spüre ich seine Nähe.« Als sie sich auf ihrem Stuhl bewegte, verfing sich eine weiße Rose in ihrem Umhang. Sie umfing die Blüte mit beiden Händen und neigte den Kopf, um ihren Dufteinzuatmen. Die Rose war vollständig erblüht, sodass ihr Herz freilag. Kaum ließ Königin sie behutsam wieder los, fielen die Blütenblätter zu Boden. Aus unerfindlichem Grund machte mich dieses Bild zutiefst traurig.
    Die Königin sank müde auf ihrem Stuhl zurück und schloss die Augen. An der Träne in ihrem Augenwinkel erkannte ich, dass sie an ihr verlorenes Kind dachte.
    Gleich darauf öffnete sie die Augen wieder, sah mich an und hob eine Hand, um mein Haar zu berühren. Seufzend schloss sie abermals die Lider und hielt ihr Gesicht in die Sonne. So saßen wir eine Weile friedlich beisammen und genossen die wärmende Kraft der Strahlen, bis Männerstimmen und Hufgetrappel die Stille durchbrachen. Die Königin setzte sich auf und blinzelte in die Richtung, aus der der Lärm kam.
    Da wir weit oben waren, nahe dem Rundturm, hatten wir einen guten Blick auf das Haupttor der Burg. Ein kleiner Trupp von Waffenknechten war eben durch den Torbogen in der Burgmauer hereingeritten und auf dem Weg hinunter zum Normannentor. In ihrer Mitte ritt eine einzelne Frau auf üppig geschmückten Sattelkissen. Sie war dünn und schwarz gekleidet, saß kerzengerade und hatte einen Wimpel in der Hand: Margaret Beaufort. Sorgenvoll

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