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Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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erlebt hatte. »Sie sagte meinen Namen nur ein einziges Mal, und doch wusste ich, dass sie es war.« Abermals senkte ich den Kopf. Meine Wangen glühten. Gewiss hielt die Königin mich nun für wahnsinnig.
    »Manchmal, spät in der Nacht«, erwiderte Königin Anne leise, »wenn ich bete und die Kerzen flackern, glaube ich, aus dem Augenwinkel zu sehen   ...« Ihre Stimme wurde ein wenig brüchig. »Ich weiß eigentlich nicht, was ich sehe. Wenn ich mich danach umdrehe, ist es fort.« Sie schloss die Augen, und eine glitzernde Träne rann ihr über die Wange.
    Sacht berührte ich ihren Arm.
    »Auf keine andere Weise hat sich mir Gott jemals gütig gezeigt. Aber zweifellos gibt es viele, die Er lieber mag und denen Er keinen solchen Trost gewährt.«
    Die Königin blinzelte, und ich hatte das Gefühl, ihr würde wieder die Ähnlichkeit zwischen uns auffallen. Dann beugte sie sich vor und ergriff meine Hand. »Gesegnet sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden«, murmelte sie sehr leise. Dann lehnte sie den Kopf zurück an die Stuhllehne und schloss erneut die Augen. Ein Lächeln trat auf ihr Gesicht. Ich fragte mich, welchen freudigen Erinnerungen sie nachhängen mochte.
    ~
    Wir verbrachten zwei angsterfüllte Monate in Nottingham mit dem Warten auf eine Invasion, die nicht kam. Schließlich neigte sich der Oktober seinem Ende, und es wurde entschieden, dass uns vor dem besseren Wetter im Frühling keine Gefahr von Tudor drohen würde. Also kehrten wir nach London zurück.
    Das königliche Horn erklang, und die Glocken riefen zur Terz, aber die Menge blieb respektvoll still, als sich König Richard und Königin Anne in ihren dunklen Trauergewändern Bishopsgate näherten, gefolgt von einer königlichen Prozession von Adligen, Rittern, Bischöfen, Dienern und rumpelnden Lastenkarren. In der Stadt stank es nach Pferdemist und geschlachtetem Vieh, eingefangen unter einem grau verhangenen Himmel.
    An diesem kühlen Morgen blies ein schneidender Wind, der den Modergeruch des Flusses durch die Fisher Street trieb. Der König sah besorgt zu seiner Königin. Kurz vor der Stadt hatte sie aus ihrer Sänfte auf ihren kastanienbraunen Zelter gewechselt, um würdevoller zu erscheinen. Sie war in Pelze gehüllt und lächelte ihrem Gemahl zu, während ihr Pferd sie ruhig durch die Straßen trug   – nicht so prächtig und stolz wie der weiße Hengst König Richards, der seinen eleganten Kopf in die Höhe hielt und majestätisch tänzelte, wie es seinem Status zukam.
    König Richard wurde vom Bürgermeister und den Ratsherren in feierlichem Scharlachrot empfangen. Höflich lauschte er den Begrüßungsworten des Bürgermeisters und erwiderte dessen Gruß angemessen.
    Am Tor von Westminster erwarteten uns die blutigen Überreste eines kürzlich hingerichteten Verräters.
    »Wer ist er?«, fragte König Richard.
    »Der Mann hieß Collingbourne und war ein Spion Henry Tudors, Sire«, antwortete einer seiner Männer. »Er wurde ertappt, wie er ein Plakat an die Tür von St. Paul’s nagelte.«
    König Richard senkte den Blick. »Nehmt ihn ab und gebt ihm ein anständiges Christenbegräbnis.«
    Erst ein Mal in der Geschichte hatte ein König solch einen Befehl erteilt, und das war König Henry VI . gewesen. Seinerzeit hatten ihn manche als schwachsinnig bezeichnet, doch heute galt er vielen als Heiliger. Seine sterblichen Überreste hatte König Richard aus der schäbigen Chertsey Abbey, in der mein Vater sie beigesetzt hatte, in die prächtige Kapelle von St. George in Windsor überführen lassen.
    Im Norden, wo man Richard kannte, nannte man ihn ausschließlich »den guten König Richard«.
    Und jetzt begriff ich, warum.
    ~
    In ihren Privatgemächern im Westminster Palace hielt Königin Anne Neds schlafenden kleinen Hund, Sir Tristan, auf dem Schoß und streichelte ihn. »Eigentlich müssten wir verfeindet sein, doch du bist meine teuerste Freundin«, sagte sie, als ich mich über meine Stickarbeit beugte.
    Ich schob die Nadel durch das grobe Gobelingewebe und verknotete den weinroten Seidenfaden, bevor ich das Ende abbiss und lächelnd aufsah. »Mir kommt es wie ein anderes Leben vor, dass ich Euch und König Richard für Feinde hielt. Wie seltsam sich die Dinge bisweilen entspinnen!«
    »Könnten wir so leichthin lieben, wie wir zu hassen vermögen, wäre die Welt eine andere. Gibt es jemanden, der deinem Herzen nahe ist, Elizabeth?«
    Ich wurde sehr rot. Dies war meine Gelegenheit, meinen Herzenswunsch auszusprechen.

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