Elizabeth - Tochter der Rosen
Lidern, quollen hervor und rannen über meine Wangen. Gleichzeitig spürte ich, dass sich der Schatten zurückzog. Dann öffnete ich die Augen und sah im Mondlicht, wie Henry Tudor das Zimmer verließ.
KAPITEL 12
Gefährtin des Königs · 1486
B EIM ERSTEN HAHNENSCHREI am nächsten Morgen, als der Tag über London anbrach und die Kirchenglocken zum Frühgebet riefen, kam meine Mutter in mein Schlafgemach gestürmt, um das Laken auf Blut zu inspizieren.
»Du hast uns reich gemacht, Elizabeth!« Sie war begeistert. »Jetzt wirst du Königin, und Henry zahlt das Lösegeld für deinen Bruder Dickon, damit er aus Frankreich wiederkommt, wie er es mir versprochen hat.«
Ich empfand einen unerträglichen Ekel vor ihr. So hochmütig, wie ich konnte, forderte ich ein heißes Bad. Eventuell konnten Seife und viel Wasser den Gestank Tudors fortwaschen und mich von dem Gefühl befreien, innerlich wie äußerlich schmutzig zu sein.
Meine Mutter war bereits wieder an der Tür und drehte sich noch einmal zu mir um. »Du bist schon Königin, was?« Sie lachte laut, als sie ging.
Ich blieb den ganzen Tag im Badewasser.
Es schien, als warteten alle im Land voller Spannung auf den Moment, in dem Tudor sein Versprechen wahr machte und mich heiratete. Als Weihnachten näher rückte, kam meine Mutter aufgeregt zu mir. »Es gibt Neuigkeiten – großartige Neuigkeiten!«, rief sie verzückt aus. »Das Parlament hat dem König eine Petition vorgelegt, dass er dich zur Frau nehmen soll, und Tudor sagte zu, ihr zu folgen!«
Cecily, die sich im Spiegel bewunderte, fuhr mit raschelnden Röcken herum. »Jetzt werden wir am Hof leben, zu großen Festen, Maskenbällen und Schauspielen gehen!«
»Was ist mit dir, Elizabeth?«, fragte meine Mutter, der meine saure Miene nicht entging.
»Sie geht zu einer Beerdigung!«, lachte Cecily.
»Eher zu einer Geburt«, entgegnete ich und stand von meinem Platz am Fenster auf.
Meine Mutter lief zu mir, packte meinen Arm und drehte mich zu sich.
»Du bist guter Hoffnung!«, hauchte sie strahlend.
»Noch ist es viel zu früh, um gewiss zu sein.« Doch mein Gefühl sagte mir, dass ich ein Kind erwartete.
Mutter verschwendete keine Zeit. Sie eilte aus dem Zimmer, und ich ahnte, dass sie zu Margaret Beaufort wollte. Eine Stunde später kehrte sie zurück.
»Lady Beaufort und ich sind uns einig, dass die Trauung umgehend stattfinden muss – wir dürfen keine Zeit verlieren!«
»Und was ist mit dem Dispens?«, fragte ich gedankenverloren. »Tudor und ich sind beide Nachkommen von John of Gaunt und Katherine de Roet, falls du es vergessen hast.«
»Lady Beaufort meint, ihr müsst ohne Dispens heiraten. Eine mündliche Versicherung des Papstes wird genügen, bis der schriftliche Dispens eintrifft. Das Hochzeitsdatum ist der achtzehnte Januar.«
Zu Mutters großer Freude kam Dorset rechtzeitig zum Weihnachtsfest nach England zurück, und die Hochzeitsplanung schritt rasant voran. Jeder jubilierte, ausgenommen ich. Lady Margaret Beaufort und meine Mutter steckten immerfort die Köpfe zusammen und berieten sich, während sie die Feierlichkeiten planten.
Der achtzehnte Januar 1486 begann sonnig und kalt, sodassdas Licht besonders grell wirkte. Nachdem ich gebadet hatte und mir das Haar gewaschen worden war, traf Lady Beaufort ein, um meine Vorbereitungen kritisch und mit Adleraugen zu überwachen. Nun, da ihr Sohn König war, hatte sie ihr strenges Schwarz aufgegeben und trug farbenprächtige Seiden, an denen Edelsteine funkelten. Das rote Kleid, in dem sie an diesem Morgen erschien, hatte Zobelbesätze, und ihr dunkles Haar war unter einem juwelengeschmückten, üppig bestickten Kopfputz verborgen. Sie hatte genaueste Anweisungen für die Hochzeitszeremonie erteilt, bis hin zu der Menge an Stoff, die die Adligen auf ihre Kleidung verwenden durften, damit sie ja nicht opulenter gewandet wären als sie selbst.
»Wie viele Bürstenstriche für das Haar?«, fragte sie mit ihrer schrillen Stimme und betonte dabei jede einzelne Silbe.
»Einhundertfünfzig«, las der Schreiber vor, der in ihren Anweisungen nachschaute.
Sie begann zu zählen. »Eins ... zwei ... drei ...«, und die Dienerinnen machten sich an die Arbeit. Ich stand still wie eine Statue, während sie bürsteten.
»Wie viele Tropfen?«, fragte Lady Beaufort ihren Schreiber, als ich mit Lavendelduft parfümiert werden sollte.
»Vierzehn«, antwortete er.
»Eins, zwei, drei«, begann sie von Neuem.
»Das Haar bleibt zum
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