Elizabeth - Tochter der Rosen
zogen sich hin, und Mutter wurde noch unruhiger. Sie bestach und beschwatzte, bis sie schließlich zum Kern der Sache vordrang.
»Wie es scheint, neidet König Henry dir dein Recht auf die Krone.« Sie rang die Hände, während sie im Zimmer auf und ab wanderte. Ihre Gefangenschaft war weniger strikt als meine, und irgendwie brachte sie alles Erdenkliche in Erfahrung, ob geheim oder nicht. »Aber auch für ihn hängt so vieles von dieser Heirat ab. Das muss er doch erkennen! Worauf in Gottes Namen wartet er noch?«
»Darauf, ob ich mich guter Hoffnung zeige.« Ich konnte nicht widerstehen, ihr diesen Schlag zu versetzen, denn ich wollte sie verletzen, wollte sehen, wie sie sich wand. In jüngster Zeit war ich zu dem Schluss gelangt, dass meine Mutter mit ihrem Rückzug ins Kloster entgegen Papas ausdrücklichem Befehl genau das herbeigeführt hatte, was sie am meisten fürchtete. Hätte sie sich zu einer Einigung mit König Richard bewegen lassen, wäre für uns alles anders gewesen. Ich könnte jetzt sogar mit Thomas verheiratet sein. Meine Mutter war der Grund für mein Elend, und in manchen Momenten empfand ich nichts als Verachtung für sie.
Sie drehte sich zu mir. »Was?«, fauchte sie.
»Er wartet ab, ob ich guter Hoffnung bin«, wiederholte ich. »Mit Richards Kind.« Ich lächelte.
»Wie kannst du es wagen, mich zu verhöhnen?«, schrie meine Mutter. »Was fällt dir ein, dich über unsere Lage lustig zu machen? Unsere Zukunft hängt von dir ab, und du hast womöglich uns alle ruiniert! Wir müssen derlei Bedenken umgehend ausmerzen.« Mutter stürmte aus dem Zimmer.
Auf einmal ahnte ich Schreckliches, ließ meine Flickarbeit fallen und rannte ihr nach. »Was hast du vor?«, rief ich von der Treppe oben. Doch Mutter war fort, und ich hörte nur ihre leiser werdenden Schritte unten auf den Stufen.
Ich unterrichtete Kate und Anne in Gesang und Französisch, solange ich ungeduldig auf Mutters Rückkehr wartete. Diesen Blick, mit dem sie davongeeilt war, kannte ich: Sie führte etwas im Schilde, und ich hatte Angst vor dem, was es sein könnte. War ich zu weit gegangen? Falls ich Tudor nicht heiratete und nicht Königin wurde, was wurde dann aus meinen kleinen Schwestern? Wir müssten überleben, bis Dickon zurückkommen durfte. Wenn er überhaupt zurückkommt, ergänzte ich im Stillen. Wir leben in gefährlichen Zeiten, und wer weiß, was einem Kind zustoßen kann?
Stunden später kam Mutter wieder. »Ich habe mich eingehend erkundigt und kenne jetzt die Wahrheit.« Sie sah mich wütend an.
»Die Wahrheit?«
»König Henry ist angewidert und erzürnt wegen deiner angeblichen Liaison mit Richard. Deshalb will er dich am liebsten nicht heiraten.«
»Was uns beiden recht sein dürfte«, entgegnete ich trotzig. »Denn der Gedanke, den Mann zu heiraten, der König Richard umbrachte, widert mich an und erzürnt mich.«
Meine Mutter schlug mir kräftig ins Gesicht. Ich hielt mir die brennende Wange, doch anders als im Kloster erhob ich meine Hand nicht gegen sie. Dies hier war weniger wichtig; nichts war mehr wichtig.
»Wir müssen uns mit beiden Lagern gut stellen«, flüsterte meine Mutter. »Bis Dickon wieder da ist. Wir haben keine andere Wahl.«
Mitgefühl regte sich in mir, weil sie immer noch hoffte. Aberwas kann ein Junge gegen einen Mann ausrichten?, ging es mir durch den Sinn. Und bis Dickon erwachsen ist, kann alles anders sein.
Ich dachte an Richard, der Gottes Urteil akzeptiert hatte und gestorben war, und verbrachte viele Nächte auf meinem Betstuhl, wo ich den Allmächtigen um die Kraft bat, mein Schicksal zu erdulden – ob es Gefangenschaft, Freiheit oder ein Leben als Tudors Gefährtin sein sollte. Zwar sorgte ich mich um meine Schwestern, konnte jedoch nicht bedauern, dass Tudor die Heirat aufschieben wollte. Auf diese Weise blieb mir Zeit, zu meiner Leier zu singen und die größte Hoffnung meines Herzens zu nähren: eine Heirat mit jemandem von niedrigem Stand, der keine Gefahr für diesen König darstellte. Ich wünschte mir sehnlichst einen braven Mann, der mich liebte und mein Herz heilte.
Sir Thomas Stafford .
Wie herrlich das wäre! Sich aufs Land zurückzuziehen, über die Moore zu galoppieren und den Wind im Gesicht zu spüren, wie es mir zu Richards Lebzeiten möglich gewesen war. Doch was würde dann aus Edward of Warwick und jenen, denen ich zu helfen versprochen hatte, sobald ich Königin sein würde?
Ich schämte mich meiner eigennützigen Wünsche und bat Gott
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